Die Braut des Piraten
sagte Olivia mit einer Überzeugung, die sie nicht empfand. »Nicht, wenn du es ihm nicht sagst.«
»Natürlich nicht«, sagte Phoebe entrüstet und nahm Olivia Charles ab.
Olivia lächelte besänftigend. »Ach, übrigens, welche herrliche Neuigkeit wolltest du mir mitteilen?«
Phoebe machte ein Gesicht, als wolle sie sich nur ungern ablenken lassen und seufzte. »Rate mal.«
Olivia hatte genug von Spielereien, war aber der Meinung, sie hätte Phoebe schon genug geärgert, sodass es unfreundlich gewesen wäre, nicht zu raten. »Du gehst mit meinem Vater zurück nach London und wirst alle deine Dichter wiedersehen.«
»Nein, nein«, sagte Phoebe ungeduldig. »Es ist etwas, das uns beide freut.«
Olivia dachte nach und lächelte dann. »Wann k-kommt sie?«
Phoebes blaue Augen blitzten, ihr gewohntes sonniges Naturell hatte die Oberhand gewonnen. »Ich wusste, dass du es gleich erraten würdest. Portia kommt und bleibt ein paar Tage. Rufus hat Nachricht aus London geschickt. Er war mit Problemen in der Armee befasst, mit ständigen Meutereien und dergleichen und muss sich nun mit Colonel Hammond und Cato besprechen. Er wird auf Carisbrooke Quartier nehmen, aber Portia möchte bei uns wohnen.«
»Bringt sie alle Kinder mit?«
»Ohne die geht sie nirgends hin.« Phoebe küsste das Baby in ihren Armen. »Das kann man nicht.«
»Nein, vermutlich nicht.« Olivia konnte sich nur wundern, dass ihre zwei Freundinnen zu so hingebungsvollen Müttern geworden waren. Phoebe war eher der Typ dafür, aber Portia war ihr ein Rätsel. Aus einer Frau, die einst am glücklichsten war, wenn sie an der Seite ihres Mannes in die Schlacht reiten konnte und meist Breeches mit einem Schwert an der Seite trug, war die liebevollste Mutter geworden, die keinen Unterschied zwischen ihren eigenen Kindern, Sohn und Tochter, und Rufus Decaturs zwei illegitimen Söhnen machte.
»Wann trifft sie ein?«
»Jederzeit, sagt Cato. Er glaubt, dass erneut ein Versuch droht, den König nach Frankreich zu schaffen. Rufus soll über Informationen aus militärischen Quellen verfügen, die Licht in diese Angelegenheit bringen könnten.«
Olivia nickte, während ihr Verstand fieberhaft arbeitete.
Steckte Anthony dahinter? Plante er die Flucht des Königs nach Frankreich ?
Ein Vorgehen, das ihn zum unmittelbaren Gegner des Marquis of Granville machen würde, der mit seinem Eid dafür haftete, dass der König in sicherem Gewahrsam blieb.
Du lieber Gott, dachte sie. Natürlich hatte er das vor. Wie sie schon gestern Abend halb vermutet hatte, waren der König oder vielmehr seine Anhänger die Höchstbietenden für die Dienste des Söldners. Welchen Stellenwert nahm dabei die Tochter des Marquis of Granville ein?
Ihr Blick streifte Phoebe … Phoebe, die so gelassen, so sicher war, wo ihre Loyalität lag.
Das Baby wurde unruhig, und Phoebe sagte: »Ich glaube, Charles muss frisch gewickelt werden. Was hältst du nachher von einem Picknick auf dem Hügel? Oben weht eine frische Brise, und Nicholas kann ungehindert seine Energie austoben.«
Sie lief zur Tür, als das Baby zu greinen anfing. »Komm, Nicholas.« Sie streckte dem Sohn und Erben des Marquis die Hand entgegen. Der kleine Earl ließ sich bei seinem Spiel mit einer Perlenkette nur ungern stören, konnte aber schließlich überredet werden, seine Mutter klaglos zu begleiten, nachdem man ihm ein Stück Honigwabe versprochen hatte.
Olivia legte die Perlen in ihre Schmuckkassette zurück. Dann trat sie ans Fenster, das Aussicht aufs Meer bot. Von St. Catherine's Hill gleich hinter dem Haus konnte man den Kanal überblicken und die Schiffe sehen, die um die Landzunge segelten. Auf dem Hügelrücken lag die St. Catherine-Betsäule, in der man Nachrichten für die
Wind Dancer
hinterlegte und jene abholte, die die Mannschaft hinterließ.
Der Pirat würde vermutlich diesen Weg der Nachrichtenübermittlung benutzen, wenn er Mike losschickte, um seine Schachpartnerin zu verständigen. Aber es war auch ein Weg, auf dem sie ihm Botschaften zukommen lassen konnte. Olivia Granville würde nicht warten, bis man sie aufforderte. Wollte sie Schach spielen, würde sie es dem Piraten mitteilen. Sie würde außerdem herausfinden, von welcher Art seine Spiele am Hof waren.
Godfrey, Lord Channing, traf um vier Uhr nachmittags, der als angemessen geltenden Besuchszeit, vor dem Eingang von Lord Granvilles Haus in Chale ein. Er stieg aus dem Sattel und übergab sein Pferd einem Diener, den der Hufschlag auf der
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