Die Braut des Piraten
verbeugte sich abermals. »Und wer ist das Kleine?«
»Meines«, sagte Phoebe und nahm ihren Sohn rasch in die Arme, »der Earl of Grafton … Bisset, sagt Sadie, sie solle kommen und ihn in die Kinderstube bringen.«
»Sehr wohl, Mylady.« Bisset stellte das Tablett mit Weinkaraffe und Glas auf den Tisch und ging würdigen Schrittes hinaus.
Nun trat ein Moment der Stille ein, dann zwang Olivia sich zum Sprechen. »Wein … wollt Ihr ein Glas Wein, Sir?«
»Ja, danke.«
Olivia schenkte Wein ein, wobei sie sich bewusst war, dass er auf ihre nackten Füße starrte. Sie fühlte sich so verletzlich, als wäre sie nackt. Ihre Hand zitterte leicht, als sie ihm das Glas reichte, seine Finger streiften ihre, und plötzlich fror sie.
»Meinen Dank, Lady Olivia.« Er lächelte wieder, als er einen Schluck Wein trank.
Die Ankunft der Kinderfrau und die Übergabe des Knaben gab Godfrey Gelegenheit, seine Beute genauer zu beobachten. Unordentlich, gewiss, doch hatte sie etwas unleugbar Sinnliches an sich. Dichtes schwarzes Haar, große schwarze Augen, ein warmer roter Mund. Ein Mann würde nicht blind werden müssen, wenn er Olivia Granville in Besitz nahm. Er spürte angenehme Wärme in seinen Lenden.
»Findet Ihr das Leben auf Carisbrooke interessant, Lord Channing?«, fragte Phoebe, die verzweifelt nach einem Gesprächsthema suchte.
»Ich bin Stallmeister des Festungskommandanten, Madam. Eine interessante und lohnende Position.«
»Ich könnte mir denken, dass Ihr viel Zeit mit dem König verbringt«, sagte Phoebe.
»Ja, ich bin viel in Gesellschaft Seiner Majestät«, erwiderte er selbstzufrieden. »Aber wenn es sich einrichten lässt, genieße ich das Alleinsein mit meinen Büchern.«
»Ach, Ihr besitzt eine umfangreiche Bibliothek?« Phoebe, die Olivia einen leicht indignierten Blick zuwarf, fragte sich, warum sie ihr die ganze Konversation aufbürdete.
»Ich habe ein gewisses Interesse an Philosophen, Madam.«
»An griechischen oder römischen?«, fragte Olivia, die Phoebes Blick richtig deutete. Sie hatte sich wieder zum Fenstersitz zurückgezogen und ermahnte sich, ihre dumme Fantasie zu zügeln. Welche Bedrohung konnte denn von Godfrey Channing schon ausgehen?
»Ich finde Piatos Werke sehr lehrreich«, erwiderte Godfrey ernst und hoffte, sie würde sich nicht in eine erschöpfende Konversation über dieses Thema stürzen. Er hatte ein wenig Lektüre betrieben, jedoch längst nicht so intensiv, dass er eine Gelehrte befriedigt hätte – wiewohl er bezweifelte, dass eine Frau wirklich gelehrt sein konnte, da mochte Brian sagen, was er wollte. Wahrscheinlich dilettierte Olivia nur und hielt sich für sehr klug.
»Welche Werke im Besonderen?«, hakte Olivia prompt nach. »Die
Republik,
könnte ich mir denken, aber …«
Zu Godfreys großer Erleichterung blieb die Frage unausgesprochen, da die Tür aufgerissen wurde und einem wahren Wirbelwind Einlass gewährte. Kinder, Hunde und eine schmale junge Frau mit auffallend rotem Haar und vielen Sommersprossen, die erstaunlicherweise in Breeches und Wams steckte, tobten herein. Es folgten Ausrufe des Entzückens, Umarmungen und Küsse, und einer der Hunde, ein großer senffarbiger Bastard, stellte sich begeisternd kläffend auf die Hinterbeine.
Godfrey trat den Hund, als dieser emsig seine Knöchel beschnüffelte. Mit gesträubtem Nackenfell zog sich der Hund zurück.
»Juno, was ist?« Die rothaarige Frau beugte sich sofort zu dem Tier nieder und kraulte dessen Nacken. Als sie Godfrey aus grünen Augen musterte, lag in ihrem Blick so viel Verachtung, dass er sie am liebsten erwürgt hätte.
»Juno tut Euch nichts. Es sei denn natürlich, Ihr habt die Absicht, ihr etwas zu tun«, sagte sie kalt.
»Portia, gestatte, dass ich dir Lord Channing vorstelle.« Phoebe tauchte aus dem Getümmel auf. »Lord Channing, Lady Decatur, Countess of Rothbury.«
Portia bedachte ihn mit einem kühlen Nicken. Ihre Hand lag noch immer auf dem Kopf der Hündin.
Godfreys Verbeugung fiel flüchtig aus. Noch nie hatte er eine Frau wie diese gesehen. Natürlich war ihm Rufus Decatur, Earl of Rothbury, ein Begriff. Ein Mann mit bewegter Vergangenheit, trotz allem aber Aristokrat. Was konnte ihm diese Karikatur von Frau bedeuten?
Er wandte sich an Phoebe. »Ich sollte mich wohl verabschieden, Lady Granville, und Euch Euren Gästen überlassen.«
»Ach, Ihr müsst schon gehen?«, murmelte Phoebe höflich, aber bereits mit ausgestreckter Hand.
»Ich habe Eure Gastfreundschaft schon
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