Die Braut des Piraten
über Schulter und Unterarm, federleichte Bewegungen mit den Fingerspitzen.
Olivia sah ihn von der Seite her an.
Spielte es denn eine Rolle, was er war?
Gewiss würde sie es schaffen, das Herrliche, das Wunder dieser Liebe, von dem Bösen zu trennen, das er getan hatte. Piraterie und Schmuggel waren Dinge, die sie erregten und sie als Teil ihres Geliebten faszinierten. Warum sollten die anderen Dinge so anders sein?
»Warum plötzlich so ernst?« Er betastete ihren Mund.
»Bald ist es hell.« Sie kämpfte sich auf die Beine und ordnete ihr Nachthemd.
Anthony stand auf und knöpfte seine Breeches zu. »Olivia, dich bekümmert doch nicht nur die Morgendämmerung?«
»Warum sagst du das?«
Er fasste in ihre lange schwarze Haarflut und wickelte ein paar Strähnen um seine Hand, um Olivia an sich zu ziehen. »Glaubst du, dass mir nach allem, was wir teilten, nicht jede Stimmungsänderung, jeder Schatten in deinen Augen auffallen würde? Schon auf Carisbrooke wusste ich, dass dich etwas bedrückt.«
Olivia sah ihn erst wortlos an, dann sagte sie: »Du spielst deine Rolle sehr glaubhaft. Bei Tisch wurde über dich gesprochen. Rufus, mein Vater, Channing …«Sie schauderte. »Alle ließen sich täuschen und taten dich als unbedeutenden Niemand ab.«
»Gut«, sagte Anthony, den die wie aus dem Nichts kommende Verbitterung ihres Tons zu einem Stirnrunzeln veranlasste.
»Du legst es darauf an, meinen Vater zu überlisten, und wofür? Nicht weil du es für richtig hältst, sondern weil du es amüsant findest und vermutlich dafür entlohnt wirst. Du bist also doch ein Söldner.«
Und ein Wrackräuber!
Sie wandte sich mit einer Geste unverkennbaren Abscheus ab.
Anthonys Blick verhärtete sich, und als er schließlich zu sprechen anfing, war sein Ton scharf. »Du kennst mich nicht so gut, wie du glaubst. Zufällig werde ich nicht bezahlt. Im Gegenteil, es kostet mich ein kleines Vermögen. Und es mangelt mir nicht an Loyalität, was immer du glauben magst, liebe Olivia. Jemand, der mir sehr nahe steht, will, dass ich es tue. Ich werde mich ihr nie widersetzen.«
Olivia sah ihn geschockt an. »Wer? Eine Ehefrau?«
»Ich bin vieles, Olivia, aber keiner, der Frauen betrügt.« Sein Ton war eisig, und Olivia wusste, dass sie an eine tiefe Wunde gerührt hatte.
Sie schaute hinaus in das fahle graue Licht, ratlos, was sie sagen sollte. Er schien einen ehrenhaften Grund zu haben, sich für den König einzusetzen. Aus Loyalität Freunden oder der Familie gegenüber. Aber was konnte ihr das ausmachen? Indem sie mit ihm eins war, verriet sie ihren Vater. Verriet ihn an einen Wrackräuber.
»Und woran glaubst du?«, fragte sie leise.
»An dies. An dich. Jetzt«, gab er zurück.
Da drehte sie sich zu ihm um. »Das reicht, Anthony. Wie kann ich das alles nur für dich empfinden, wenn alles an dir so schlecht ist!« Es war ein schmerzlicher Ausruf. Ihre großen dunklen Augen sahen ihn an und suchten verzweifelt eine Antwort auf ihre Frage.
Er gab ihr keine, sah sie nur kurz und mit abwesendem Blick an. Als er schließlich zum Sprechen ansetzte, war sein Ton ruhig, fast neutral. »Ich bitte dich nur, dass du für dich behältst, was du von mir weißt.«
Sie nickte. Es gab nichts mehr zu sagen.
»Danke.«
Und fort war er.
Olivia stand im leeren Gemach, die Hände an den Mund pressend, die Augen fest geschlossen, als könne sie irgendwie den Schmerz bannen, die dumme Gefühlsverwirrung beherrschen. Todunglücklich ging sie zu Bett.
»Nun, Lord Channing, wie steht es um Eure Werbung um Lady Olivia?« Der König sagte es müßig von seinem geschnitzten Sitz aus, auf dem er lässig zurückgelehnt und mit gekreuzten Knöcheln saß. Eine beringte Hand baumelte von der Armlehne, Finger und Daumen der anderen strichen über seinen adretten Spitzbart. In seinen Augen lag ein boshaftes Glitzern. Er langweilte sich und war auf Amüsement aus.
»Ich hatte den Eindruck, dass sie gestern in Eurer Nähe einen ziemlich unbehaglichen Eindruck machte«, fuhr er fort. »Könnte es sein, dass sie eine schwierige Eroberung darstellt?«
Godfrey lief rot an. Gegenstand der Spötteleien des Königs zu sein, war nie angenehm. Lachte der König, stimmten andere in sein Lachen ein. Er bemerkte, wie um ihn herum verstohlen gegrinst und geflüstert wurde. Alle beobachteten ihn und warteten gespannt auf seine Antwort.
Sein Lachen fiel nicht überzeugend aus. »Gestern fühlte sich die Dame nicht wohl, Sire. Wie so viele junge Frauen neigt sie zur
Weitere Kostenlose Bücher