Die Braut des Ritters
Castle.
Avelyns Lüge, mit der sie ihren Gemahl überredet hatte, sie vor sich im Sattel sitzen zu lassen, enthielt gar ein Körnchen Wahrheit. Gelogen hatte sie, als sie sagte, sie könne nicht reiten - sie hatte von klein auf zu Pferde gesessen und ritt recht passabel. Nie hatte sie aber lange Strecken zurückgelegt, denn sie hatte Straughton tatsächlich zu keiner Zeit verlassen müssen. Und so hatte sie angenommen, dass sie vielleicht eine Stunde reiten und dann rasten würden, um wieder eine Weile zu reiten, schließlich für das Mittagsmahl zu halten und sich nach einer weiteren Pause erneut auf den Weg zu machen. Sie hatte sich getäuscht, denn sie verzehrten ihr Mittagsmahl - Obst, Käse und Brot - im Sattel. Paen hieß sie, die Sachen aus einem Beutel zu holen, der am Sattel baumelte. Nun ja, sie zumindest aß, denn Paen war mit seinen verbundenen Händen nach wie vor nicht in der Lage dazu. Er versuchte es und klemmte sich ein Stück Käse in die bandagierte Hand, doch kaum hatte er einen oder zwei Bissen genommen, da purzelte der Käse zu Boden. Avelyn hatte erneut angeboten, ihn zu füttern, aber Paen hatte nur den Kopf geschüttelt und geknurrt, er habe keinen Hunger.
Es brach ihr schier das Herz. Er war zu stolz, sich helfen zu lassen, und hungerte lieber. Sie hätte ihn für rettungslos töricht gehalten, hätte ihr nicht noch lebhaft das Getue vor Augen gestanden, das sie um ihr Kleid gemacht hatte. Diese Angelegenheit hier war sicherlich auch nicht dümmer. Der Stolz machte wohl aus allen Menschen Narren.
Den Großteil des Tages ritten sie schweigend dahin. Als sie am frühen Abend auf eine Lichtung kamen und Paen verkündete, dass sie hier für die Nacht haltmachen würden, war Avelyn zutiefst erleichtert. Hastig stieg sie vom Pferd - zu hastig, denn fast hätten ihre Beine unter ihr nachgegeben, sobald ihre Füße den Boden berührten. Sie konnte sich gerade noch an Paens Bein und am Sattel festklammem.
„Geht es Euch gut, Avelyn?“ Wimarc Gerville, der mit seiner Frau und den anderen ebenfalls nicht länger auf Straughton Castle bleiben wollte und das junge Paar begleitete, war sofort bei ihr und stützte sie.
Avelyn rang sich ein Lächeln ab und nickte. Ihren Gemahl sah sie lieber nicht an, als sie dessen Bein losließ, zu peinlich war ihr die Sache. Sie ließ sich von ihrem Schwiegervater zu einem liegenden Baumstamm am Rande der Wiese führen und setzte sich. Während sie die Beine ausstreckte, sah sie, wie Lord Gerville zurückging, um seiner Gemahlin vom Pferd zu helfen. Erleichtert stellte Avelyn fest, dass auch Lady Gerville mitgenommen von dem langen Ritt wirkte und sich auf ihren Gemahl stützte, der sie zu Avelyn geleitete.
„Ruht Euch ein wenig aus, meine Damen. Wir werden uns ums Lager kümmern“, sagte Lord Gerville.
Sie blickten ihm nach, als er zu den übrigen Männern zurückkehrte, die ebenfalls abgesessen waren und nun die Pferde versorgten. Beide Frauen seufzten gleichzeitig und tauschten ein schiefes Lächeln.
„Seid Ihr genauso wund und müde wie ich?“, fragte Lady Gerville mit gespielter Leidensmiene.
Avelyn nickte. „Gut, dass es nicht nur mir so geht. Nicht, dass es mich freut, dass es Euch genauso geht“, fügte sie rasch an.
„Ich verstehe schon, mein Kind“, erwiderte Lady Gerville warm.
Daraufhin entspannte sich Avelyn.
„Es tut mir so leid“, fuhr Lady Gerville fort, „dass alles sich gegen uns verschworen hat und wir gezwungen waren, Straughton früher als geplant zu verlassen. Ich hatte wirklich gehofft, dass Ihr die Möglichkeit erhaltet, uns besser kennenzulernen, ehe Ihr Eure Familie verlasst.“
Avelyn wandte den Blick ab und schluckte hart gegen den Kloß in ihrer Kehle an, ehe sie mit den Schultern zuckte. „Wir werden uns einfach während der Reise und später auf Gerville miteinander vertraut machen.“
„Aye, und ich hoffe sehr, dass wir einander ins Herz schließen. Der einzige Schatten in meinem Leben war stets, dass ich neben meinen Söhnen keine Töchter habe. Ich habe meine Söhne immer geliebt, aber dennoch beneide ich Eure Mutter darum, dass sie sowohl einen Jungen als auch ein Mädchen hat. Und ich bin überglücklich, Euch als meine Tochter annehmen zu dürfen.“
Lächelnd drückte Avelyn ihr die Hand, bevor sie aufschaute und den übrigen Frauen entgegensah, die sich zu ihnen gesellten. Lady Helen und Diamanda waren ebenfalls geritten, und es überraschte Avelyn nicht, dass die beiden ebenfalls recht hölzern
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