Die Braut des Ritters
etwas, das sie tun konnte, um ihm zu gefallen.
Avelyn ließ die Tunika aufs Fußende des Lagers fallen und schritt zur Truhe. Vorsichtig stellte sie die Kerze auf dem Boden ab, öffnete die Truhe, musterte den Inhalt und runzelte die Stirn. Es gab Stoffe in drei verschiedenen Farben - ein Tuch von einem Rot, das satter und schöner war als das Rot des verbrannten Gewands; ferner ein elfenbeinfarbenes und ein himmelblaues, das dem ihres Hochzeitskleids ähnelte. Avelyn verwarf Rot und Blau, nahm den elfenbeinfarbenen Stoff und zog noch ein schwarzes Gewand hervor, welches dem glich, das sie trug.
Sie blickte von dem schwarzen Kleid zu dem mattweißen Stoff, und vor ihrem geistigen Auge sah sie ihren Mann in schwarzen Hosen und weißer Tunika. Das Bild setzte sich fest. Natürlich würde sie die Nähte des Gewands auftrennen müssen, doch dafür hätte sie dann genügend Stoff, um Paen ein Beinkleid zu nähen. Zudem hatte sie ja ein schwarzes Gewand. Wer brauchte denn zwei?
Sie traf ihre Entscheidung, setzte sie sich aufs Lager und machte sich daran, die Nähte des schwarzen Kleids aufzutrennen. Als dies getan war, breitete sie den Rock auf den Fellen aus. Sie hatte für Vater und Bruder schon einige Kleidungsstücke genäht und schätzte, dass Paen eher die Statur ihres Bruders hatte, jedoch noch ein Stück größer war. Sie schnitt das Tuch entsprechend zu und begann zu nähen, froh darüber, endlich etwas gefunden zu haben, mit dem sie ihren Gemahl glücklich machen konnte.
Avelyn arbeitete, bis die Kerze im Holzständer auf der Truhe zu flackern begann. Sie verzog das Gesicht, rieb sich die müden Augen und schaute in genau dem Moment zur Flamme, als diese erlosch. Danach hätte es eigentlich vollkommen dunkel sein sollen, aber durch die offene Zeltklappe drang graues Licht.
Avelyn legte die unfertigen Hosen beiseite, erhob sich und stöhnte, weil sie vom langen Hocken ganz steif war. Sie rieb sich den schmerzenden Rücken, trat zum Ausgang und spähte hinaus - bestürzt darüber, sich dem blassen Morgengrauen gegenüberzusehen. Sie hatte die ganze Nacht hindurch genäht.
Gerade hatte sie sich mit dem Gedanken abgefunden, als ihr aufging, dass ihr Gemahl gar nicht ins Bett gekommen war. Sie sah zur Lagermitte hinüber, betrachtete die dunklen Umrisse der schlafenden Männer und wusste, dass Paen einer von ihnen war. Er hatte lieber mit dem harten Boden vorliebgenommen, als sich zu ihr ins Zelt zu gesellen.
Sie schluckte gegen den Kloß an, der ihr plötzlich in der Kehle saß, wandte sich um und beäugte die Felle. Wenn sie sich nun hinlegte, würde sie sich nur in den Schlaf weinen. Alle würden früh auf den Beinen sein, und der kurze Schlummer, den sie finden würde, wäre kaum genug. Im Gegenteil - sie mutmaßte, dass ihr danach nur noch elender zumute sein würde.
Seufzend ging sie zur Truhe, stellte die heruntergebrannte Kerze beiseite, kramte ein Leinentuch hervor, griff sich ihr braunes Kleid und glitt aus dem Zelt. Lautlos schlich sie aus dem Lager und fand mühelos den Pfad zum Fluss, den Paen gestern in seiner Raserei hinterlassen hatte.
Am Ufer verharrte Avelyn, atmete tief durch und sah sich um. Die Luft war frisch und duftete nach frühem Morgen, und im Unterholz begann sich das erste Getier zu regen. Es war eine stille, friedvolle Tageszeit. Avelyn lächelte, schlüpfte aus dem Kleid und watete ins Wasser.
Der Fluss war kalt. Avelyn beeilte sich mit dem Bad, und das Abtrocknen war noch schneller erledigt. Sie streifte sich das braune Kleid über, hob das schwarze auf, in dem sie die Nacht verbracht hatte, und machte sich auf den Rückweg zum Lager, als sie am Rande der Lichtung eine Wachtel entdeckte. Avelyn blieb stehen.
Sie malte sich aus, wie freudig überrascht ihr Gemahl sein würde, wenn sie ihm frische, in der Glut des nächtlichen Feuers gegarte Eier vorsetzte. Also ließ sie das schwarze Gewand fallen und folgte dem Vogel, der den Pfad entlangzuckelte. Es dauerte nicht lange, bis sie unweit des Wegs das Nest erspähte, und als sie die Eier darin sah, verzog sie die Lippen zu einem Lächeln. Avelyn verscheuchte die Wachtel, kniete nieder, kroch näher und scherte sich nicht darum, dass sie sich dabei das Haar in Unordnung brachte und das Kleid beschmutzte. Beides ließ sich später richten. Jetzt wollte sie erst einmal diese Eier für ihren Gemahl.
Paen wälzte sich auf den Rücken und schnitt eine Grimasse, als er seine steifen Glieder spürte. Er war nie versessen darauf
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