Die Braut des Ritters
sollte. Es war ein langer Tag im Sattel gewesen und würde morgen ein ebenso langer werden. Und da sie nun wusste, dass Paen fürchtete, sie sei nicht die zupackende, fähige Frau, die er sich gewünscht hatte, war sie entschlossen, sich bei Kräften zu halten.
Avelyn verzog das Gesicht und hob die Keule auf. Sie nahm einen kleinen Bissen und schaffte es dabei glatt, sich auf die Zunge zu beißen. Sie fluchte verhalten, spuckte das Fleisch aus und fuhr sich mit der Zunge über den Gaumen, um den Schmerz zu lindem. Ihre Zunge kribbelte dennoch weiter. So fest hatte sie sich doch gar nicht gebissen, oder? Sie schüttelte den Kopf über ihr mit einem Mal so ungeschicktes Gebaren und zwang sich seufzend, einen weiteren Bissen zu nehmen, der ihr aber nicht schmeckte. Ihr brannte die Zunge, und ihr Magen geriet in Aufruhr, sobald das erste Stückchen Fleisch ihn erreichte. Er nahm es wohl übel, derart durchgerüttelt worden zu sein. Und als Avelyn nun wagte, ihm auch noch Arbeit zuzumuten, begehrte er endgültig auf.
Wenige Happen später gab sie auf, legte die Keule beiseite und streckte sich auf den Fellen aus. Sie schloss die Augen und versuchte sich zu entspannen in der Hoffnung, ihr Magen werde sich beruhigen. Doch als sie so dalag und nichts sie von ihren körperlichen Leiden ablenkte, spürte sie das Brennen auf der Zunge und ihren revoltierenden Magen nur umso stärker. Zudem kribbelte ihre Haut plötzlich, als krabbelten Ameisen darüber.
Stirnrunzelnd rieb sie sich Arme und Gesicht und fuhr jäh hoch, als ihr Magen sich hob. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, sprang auf die Füße, eilte aus dem Zelt und umrundete es, um in seinem Schutz gerade rechtzeitig auf die Knie zu sinken und alles wieder auszuspeien, was sie gegessen hatte. Kein Würgen, keine Warnung ging dem voraus; es war nur ein abruptes Ausstoßen des Gegessenen.
Als es vorüber war, schnappte sie keuchend nach Luft, richtete sich auf und drückte sich eine Hand an den Ma-gen. Sie wollte erst aufstehen, wenn sie sicher war, dass die Tortur tatsächlich zu Ende war. Zum Glück hatte sie nur wenig zu sich genommen, und jetzt, da es heraus war, beruhigte sich ihr Magen zusehends - zufrieden damit, wieder leer zu sein. Heute Abend würde sie wohl besser nichts mehr essen.
Avelyn rieb sich behutsam den Bauch, drückte sachte und zuckte zusammen, weil der Ritt ihr empfindliche Prellungen zugefügt hatte. Ihre Zunge zwiebelte, und ihr Magen war in Aufruhr - sie war ein einziges Häuflein Elend. Das Schicksal schien ihr in der Tat derzeit nicht wohlgesinnt.
Welch überspannte Gedanken, dachte sie und schüttelte über sich selbst den Kopf. Vorsichtig stand sie auf und wartete kurz, um sicherzugehen, dass ihr nicht erneut schlecht würde, ehe sie zur Vorderseite des Zelts ging und den Blick über die Menschen gleiten ließ, die ums Feuer saßen. Niemand schien bemerkt zu haben, dass sie aus dem Zelt gestürmt war. Und glücklicherweise sah sie auch niemand wieder hineinschlüpfen. Das Letzte, was sie brauchte, war, ihren Gemahl wissen zu lassen, dass sie sich soeben übergeben hatte. Das würde ihn nur stärker an ihrer Zähigkeit zweifeln lassen.
Der Anblick des Mahls neben dem Lager ließ sie das Gesicht verziehen. Wie zur Warnung rumorte ihr Magen gefährlich. Avelyn hatte nicht die Absicht, noch etwas zu essen. Aber ebenso wenig wollte sie, dass ihr Gemahl die verschmähte Keule fand. Also nahm sie das Fleisch, trat an den Ausgang, vergewisserte sich, dass niemand guckte, huschte hinters Zelt und schleuderte den Schlegel in den Wald.
Zurück im Zelt, hob Avelyn die Tunika auf, die Paen ihr vorhin übergestreift hatte. Normalerweise räumte Runilda herumliegende Kleidungsstücke fort. Doch Avelyn bezweifelte, dass die Kammerfrau wissen würde, was mit diesem Fetzen geschehen solle. Er taugte höchstens noch als Putzlappen, aber ihr Gemahl wäre da wohl anderer Ansicht, denn er hatte nichts anderes zum Anziehen. Und jetzt gerade trug er nicht einmal diesen Lumpen. Nicht, dass der ihn großartig wärmen würde, dachte sie, während sie die Löcher in Augenschein nahm.
Sie drehte die Tunika in den Händen und schaute zu ihrer Truhe hinüber, die an einer Zeltwand stand. Ihre Mutter hatte ihr einige Stücke Tuch mitgegeben, damit sie sich zwei neue Kleider nähen konnte, um die am Hochzeitstag ruinierten zu ersetzen. Es sprach gewiss nichts dagegen, dass sie ihrem Gemahl neue Kleider fertigte? Fest stand, dass er welche brauchte - und es war
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