Die Braut des Ritters
Frauen erwischen müssen? Er würde gut auf sie aufpassen müssen, damit er sie auch ja heil nach Hause brachte. War die Mühsal der Reise erst bewältigt, würde es ihr vielleicht besser gehen.
Morgen am späten Abend würden sie Hargrove erreichen, wo er seinen neuen Knappen einsammeln würde. Danach war es nur noch ein Ritt von zwei Tagen. Eigentlich waren es insgesamt nicht mehr als zwei Tage von Straughton bis zum Sitz seiner Familie, doch wegen des Knappen mussten sie einen Umweg machen. Paen hatte seinen Eltern vorgeschlagen, mit dem Großteil der Männer nach Hause zu reiten und ihm und Avelyn nur eine kleine Eskorte zu lassen. Aber davon hatte seine Mutter nichts hören wollen. Sie wollte bei ihm bleiben, um seine Verbände zu wechseln und darüber zu wachen, dass er sich die Hände nicht noch übler zurichtete.
Er schaute zum Zelt hinüber und beschloss, Avelyn auch weiterhin vor sich im Sattel zu halten. So würde sie ausruhen und das bisschen Kraft sparen können, das sie besaß.
Als Avelyn Vogelgezwitscher hörte, schaute sie von ihrem Nähzeug zur Zeltklappe auf und sah, dass es bereits dämmerte. Wieder hatte sie die ganze Nacht hindurchgearbeitet.
Ihr Schlummer nach der Begegnung mit den Brennnesseln war kurz gewesen, aber immerhin so lang, dass ihr Hinterteil sich hatte erholen können. Und da sie den ganzen Tag geschlafen hatte, war sie nicht müde. Also hatte sie sich ans Nähen gemacht mit dem Vorsatz, nur ein wenig zu arbeiten und sich dann abermals schlafen zu legen. Was sie natürlich nicht getan hatte. Das Nähen war ihr so leicht von der Hand gegangen, dass sie einmal mehr die ganze Nacht damit zugebracht hatte.
Avelyn wusste, sie würde es später bereuen, aber im
Augenblick war sie überaus zufrieden mit sich. Die Hosen waren fertig, und die Tunika war schon ein gutes Stück gediehen. Noch eine Nacht, schätzte Avelyn, bis die Tunika ebenfalls fertig wäre.
Sie hatte vornübergebeugt dagehockt und streckte sich nun, wobei sie sich ausmalte, wie ihr Gemahl sich über die Kleidung freuen würde. Mühselig kam sie auf die Beine. Sie hätte sich zwischendurch etwas bewegen sollen, um gar nicht erst steif zu werden, hatte daran jedoch keinen Gedanken verschwendet. Nun zahlte sie den Preis dafür, stundenlang reglos dagesessen zu haben.
Sorgsam faltete sie die unfertige Tunika zusammen und verstaute sie zusammen mit dem Beinkleid in der Truhe. Es mache ihr gar nichts aus, dass ihr Gemahl diese Nacht wieder nicht zu ihr ins Zelt gekommen sei, versuchte sie sich einzureden. Doch Avelyn war eine miserable Lügnerin, sogar sich selbst gegenüber.
Das Eheleben schien weit einsamer zu sein, als sie gedacht hätte - oder womöglich traf dies auch nur auf ihr Eheleben zu.
Seufzend trat sie an die Zeltklappe und spähte hoffnungsvoll hindurch. Nun, da sie auf den Beinen war, musste sie sich dringend erleichtern. Die Männer, die ums Feuer lagen, rührten sich nicht. Keineswegs sah es so aus, als würden sie bald aufwachen.
Avelyn ließ den Blick über den umliegenden Wald schweifen und meinte, auf der gegenüberliegenden Seite des Lagers einen Pfad auszumachen, der, wie sie vermutete, zum Fluss führte. Noch einmal musterte sie die tief Schlafenden, die sich um das jetzt niedergebrannte Feuer ausgestreckt hatten.
Auf ihrem Gang letzte Nacht war sie auf Hindernisse gestoßen, doch da war es dunkel gewesen. Nun war es heller, und Avelyn war zuversichtlich, dass alles gut gehen werde. Andererseits hatte ihr Gemahl ihr ausdrücklich verboten, ohne seine Einwilligung zu verschwinden.
Sie begann abzuwägen, was sie wohl erwartete, wenn sie sich widersetzte. Aber ihr Körper verlangte zunehmend nachdrücklicher nach Erleichterung. Wenn sie dem Bedürfnis nicht im Wald nachgeben konnte, würde sie es zwangsläufig hier im Zelt tun.
Sie murmelte verdrossen vor sich hin, trat nach draußen und umschlich das Lager bis zum Pfad. Dem folgte sie eine Weile, bis sie eine kleine Lichtung erreichte. Verwirrt sah sie sich um. Ein Fluss war nicht in Sicht, doch genau gegenüber begann ein weiterer Pfad. Sie zuckte mit den Schultern, querte die Wiese und schlug den weiteren Weg ein, der allerdings immer schmaler wurde und sich schließlich verlief.
Avelyn zögerte kurz, dann gab sie dem Drang nach, der sie hergeführt hatte. Sie erleichterte sich, ehe sie umkehrte und zurückging.
Auf der kleinen Lichtung, die sie gerade überquert hatte, blieb sie stehen. Zwei Pfade führten ihr gegenüber in den Wald, und
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