Die Braut des Ritters
bleiben, und stattdessen Runilda mit der Aufgabe betraut.
Wie durch ihre Gedanken herbeigerufen, tauchte ihr Gemahl plötzlich vor ihr auf. Avelyn zwang sich, ihn mit einem Lächeln willkommen zu heißen.
„Eure Kammerfrau hat das Zelt eingeräumt“, teilte er ihr mit. „Ich will, dass Ihr Euch bis zum Nachtmahl ausruht.“
„Aber...“
„Geht“, befahl er.
Sie zauderte kurz, ehe sie seufzend einlenkte und sich erhob. Da sie alle Mahlzeiten verschlafen hatte, die die anderen im Sattel eingenommen hatten, war sie halb ver hungert. Außerdem musste sie sich erleichtern. Ihr Gemahl schien aber nicht gewillt, auch nur eines von beidem wahrzunehmen. Also entschied sie, dass das eine wie das andere warten musste, und begab sich zum Zelt.
„Das Lager ist gerichtet, falls Ihr schlafen möchtet“, sagte Runilda zur Begrüßung, als Avelyn eintrat.
„Ich habe den ganzen Tag geschlafen, Runilda. Ich bin nicht müde“, erwiderte Avelyn.
„Aye, ich hab’s gesehen. Euer Gemahl war sehr besorgt. Seid Ihr nicht wohl, Mylady?“
„Es geht mir gut, ich war nur die ganze Nacht mit Nähen beschäftigt.“ Und als sie Runildas erstaunten Blick sah, fügte sie an: „Das war nicht geplant. Ich wollte das Nähzeug beim Eintreffen meines Gemahls fortlegen. Aber er ist nicht ins Bett gekommen, und dann dämmerte auch schon der Morgen herauf.“
„Tja ...“ Das Mädchen schien in Verlegenheit. „Ich bin sicher, er wird sich freuen, wenn er die neuen Kleider sieht.“
„Aye." Der Gedanke munterte Avelyn ein wenig auf. Anständige Kleidung würde er doch gewiss zu schätzen wissen, oder nicht? Und beim Überreichen konnte sie ihm auch gleich erklären, weshalb sie heute so erschöpft war. Das würde ihn vielleicht davon überzeugen, dass sie gar nicht so schwächlich war, wie er glaubte. Sie beschloss, sich gleich an die Arbeit zu machen, und schritt zur Truhe, um ihr Werk hervorzukramen.
„Lady Gerville hat heute Mittag während des Ritts Käse und Brot verteilt“, sagte Runilda. „Ihr habt es verpasst, weil Ihr geschlafen habt. Bestimmt ist etwas übrig. Soll ich’s Euch holen?“
„Aye, bitte, Runilda. Das wäre großartig“, murmelte Avelyn, schloss die Truhe und ging mit den gestern begonnenen Hosen zur Liegestatt. Eine Stunde etwa, schätzte sie, bis das Beinkleid fertig wäre. Dann würde sie vor dem Schlafengehen mit der Tunika zumindest noch beginnen können. Morgen, spätestens übermorgen Abend sollte beides beendet sein.
Als Runilda zurückkehrte, war Avelyn ganz in ihre Tätigkeit vertieft. Die Kammerfrau hatte Käse, Brot und einen Apfel auftreiben können, setzte alles neben Avelyn ab und stellte eine Frage zu den Gerätschaften auf dem Karren, die Avelyn nur mit halbem Ohr mitbekam. Sie bejahte, ohne die Frage richtig verstanden zu haben. Und als Runilda bat, Sely helfen zu dürfen, nickte Avelyn nur, entließ sie und werkelte weiter, wobei sie dann und wann einen Happen von den Speisen nahm. Sie arbeitete immer noch, als Diamanda eine ganze Weile später eintrat und einen Becher mit Eintopf brachte.
„Eintopf?“, fragte Avelyn verwundert, als sie den Becher entgegennahm.
„Tante Helen hat den schwarzen Kessel genommen, den Eure Mutter Euch mitgegeben hat.“ Aus Diamandas Blick sprach Verunsicherung. „Sie hat Runilda doch fragen lassen, ob Ihr damit einverstanden seid, dass sie ihn benutzt.“
„Oh, natürlich“, murmelte Avelyn, als sie sich erinnerte, dass Runilda alles Mögliche geplappert hatte, als sie ihr vorhin Brot und Käse brachte.
„Tante Helen dachte sich, dass es Paen das Essen erleichtern werde, wenn er es aus dem Becher trinken könne.“
Avelyn nickte und wünschte, selbst darauf gekommen zu sein. Aber die Frage, auf welche Weise Paen Nahrung zu sich nehmen konnte, hatte sich ihr gar nicht gestellt. Sie war wahrlich eine überaus gedankenlose Gemahlin.
„Runilda hat Euch auch fragen sollen, ob sie die Becher verwenden darf“, sagte Diamanda auf Avelyns langes Schweigen hin.
Avelyn nickte hastig. „Gewiss, das war in Ordnung.“ Ihre Mutter hatte ihr sechs Becher mitgegeben. Sie waren eigens für Paen und Avelyn gefertigt worden und trugen ihre Initialen. Die Reisegruppe umfasste allerdings weit mehr als sechs Leute. „Woraus essen all die anderen?“ „Die Männer tun sich wieder an gebratenem Kaninchen gütlich. Den Eintopf hat Tante Helen nur für die Familie gemacht, da es nicht genügend Becher für alle gab“, erklärte Diamanda. „Sie bat mich,
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