Die Braut des Ritters
„Ich bin gerade erst aufgestanden“, bekannte sie daher, als Lady Gerville ob ihres Widerstands die Stirn in Falten legte. „Und es ist ein so außergewöhnlich schöner sonniger Tag, dass ich mir dachte, ich gehe ein wenig spazieren, um ... um einen klaren Kopf zu bekommen.“
„Ach so.“ Lady Gerville lächelte. „Nun, das ist womöglich genau das Richtige für Euch, mein Kind. Nehmt Diamanda mit für den Fall, dass Ihr schwächelt. Wie ich sagte, Kopfverletzungen können recht heikel sein.“ Avelyn zögerte, vernahm einen Unwillen, sich das Mädchen an die Seite stellen zu lassen. Sie mochte Diamanda, keine Frage, doch eigentlich hatte sie gehofft, sich ins Dorf stehlen zu können, um ...
„Das wäre großartig!“, meldete sich Diamanda zu Wort. „Ich würde wirklich gern mitkommen.“ Offenbar war sie froh, der unweigerlich bevorstehenden Putzorgie entrinnen zu können. Die Wände der großen Halle mussten gekalkt werden, im oberen Stock waren immer noch die beiden kleineren Kammern herzurichten, nicht zu vergessen Küche und Kräutergarten. Avelyn konnte es Diamanda wahrlich nicht verübeln, dass sie erleichtert darüber war, sich aus dem Staub machen zu können.
Da es also beschlossene Sache war, nickte Avelyn. „Ich würde mich freuen.“
„Na, dann hinaus mit euch“, sagte Lady Gerville. „Und nehmt Runilda mit, damit ihr nicht in Schwierigkeiten geratet. Lady Helen und ich werden uns um alles kümmern. Genießt ihr nur euren Spaziergang.“ Und damit scheuchte sie die drei aus der Halle.
Flankiert von Runilda und Diamanda, überquerte Avelyn den Burghof.
„Wohin gehen wir?“, fragte Diamanda, als sie die Torwachen hinter sich ließen.
Avelyn biss sich auf die Lippe, unschlüssig, was sie erwidern sollte.
„Avy?“ Diamanda wurde langsamer, als sie merkte, dass Avelyn auf den Pfad zuhielt, der durch den Wald führte.
Seufzend blieb Avelyn stehen und schaute flüchtig zurück zur Burg. Erleichtert stellte sie fest, dass die Wachen sie nicht mehr hören konnten. „Ich dachte mir, wir gehen ins Dorf.“
„Was?“ Diamanda sah sie entsetzt an. „Aber wir können doch nicht... “
„Es ist nicht weit“, beschwichtigte Avelyn sie. „Wir sind gestern auf dem Hinweg daran vorbeigekommen, es ist ganz nah.“
„Aber Paen sagte heute früh beim Morgenmahl, dass die Dörfler Lord Gerville zürnten, weil dieser sie vernachlässigt habe, und dass sie uns nicht hier haben wollen. Daher sollten wir wohl besser nicht...“
„Ich möchte die Kluft zwischen ihnen und uns schließen, und ich möchte noch heute damit beginnen“, wandte Avelyn ein.
Diamanda zauderte. „Aber wie?“
„Nun, auf der Burg gibt es nicht ein einziges Möbelstück, Diamanda.“
„Aye, das ist mir aufgefallen“, meinte das Mädchen spöttisch. „Nirgends kann man sitzen oder essen oder ... “ „Ganz genau.“ Avelyn nickte. „Vielleicht können wir Abhilfe schaffen und zugleich den Groll ein wenig bezähmen, indem wir die Möbel im Dorf in Auftrag geben.“
Als die Blonde unsicher dreinschaute, fügte Avelyn hinzu: „Wir könnten auch ein paar Vorräte einhandeln -Backwaren, falls es einen Bäcker gibt, und Bier im Wirtshaus. Beides können wir noch nicht selbst herstellen.“ „Bier und Brot?“, fragte Diamanda und rieb sich den Bauch. „Hm, es ist schon Mittag.“
„Aye, und Ihr habt noch nichts gegessen heute“, wandte sich Runilda vorwurfsvoll an Avelyn.
„Eben drum.“ Avelyn lächelte die beiden an. „Ich habe Geld dabei. Wir können Lebensmittel für die Burg kaufen und vorab probieren. Und vielleicht können wir gar dafür sorgen, dass wir Möbel und andere Dinge bekommen. Wenn das Dorf wirklich so arm ist, wie Paen sagt, dürften sich die Leute über diesen Handel freuen.“
„Vielleicht aber haben sie nichts, mit dem sie handeln könnten“, warf Diamanda ein.
Avelyn seufzte. „Das wird sich herausstellen.“ Sie hob die Brauen. „Was ist nun? Gehen wir?“
Diamanda blickte zur Burg zurück und nickte langsam. „In Ordnung. Ich fürchte, es wird vergebens sein, aber überzeugen wir uns selbst davon. “
Avelyn nickte ebenfalls und schlug den Waldpfad ein. Der Tag war warm und sonnig, und sie hätte die Wanderung genossen, wäre da nicht die Beklommenheit gewesen, die sie angesichts des Dorfbesuchs befallen hatte. Paen hatte gesagt, die Dorfbewohner grollten ihnen -also würde man sie kaum mit offenen Armen empfangen. Aber sie hoffte darauf, dass die Münzen ihnen helfen
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