Die Braut des Ritters
hat es gestern mit einem Apfel gelockt“, warf Avelyn ein, als sie Lady Helen erreicht hatte.
„Oh, Avelyn, mein Mädchen!“ Lady Helen vergaß ihre Sorge für einen Augenblick und strahlte sie an. „Wie fühlt Ihr Euch? Hat der Schlaf Eurem Kopf wohlgetan? Ich weiß doch, dass Ihr gestern schreckliche Schmerzen hattet.“ „Es geht mir heute viel besser, habt Dank“, murmelte Avelyn.
„Ich hab’s schon probiert mit einem Apfel, aber das Schwein will ihn nicht“, verkündete Diamanda. Zum Beweis zog sie einen Apfel aus ihrer Rocktasche und hielt ihn der Sau hin. Und tatsächlich klappte der Trick dieses Mal nicht.
„Tja, also ...“ Avelyn verstummte und umrundete das Tier, blieb aber nach wenigen Schritten stehen, als sie sah, worin das Problem bestand. „Ach, herrje.“
„Was ist?“, fragte Diamanda und folgte ihr.
„Ich fürchte, sie wird sich eine ganze Weile lang nicht bewegen lassen.“
„Wieso denn nicht?“ Der zierliche Blondschopf stand nun neben Avelyn und blickte auf die Sau hinab. „Oh“, hauchte Diamanda.
„Was? Was hat sie denn?“ Lady Helen blieb, wo sie war, und Avelyn ging auf, dass sie Angst vor dem Schwein hatte.
„Sie wirft! rief Runilda entzückt aus. Sie war zu Avelyn und Diamanda getreten.
„Bloß das nicht!“, rief Lady Helen entgeistert. „Doch nicht hier drinnen, um Himmels willen!“
„Mylady!“
Avelyn wandte sich zum Portal um, durch das Paens Knappe soeben in die Halle stürmte und in seiner Eile wieder einmal fast über die eigenen Füße stolperte. Als er ohne Unfall neben ihr hielt, verkündete er: „Lord Paen lässt Euch ausrichten, dass Lord Gerville und dessen Gemahlin gerade in den Hof einreiten. “
Sie hob die Brauen ob dieser Botschaft. Vergangene Nacht hatte Paen gesagt, sein Vater werde Bedienstete schicken - davon, dass Lord und Lady Gerville selbst erscheinen würden, war nicht die Rede gewesen. Obwohl es zu erwarten war, dachte sie.
Sie trat nach draußen, um die Besucher willkommen zu heißen. Paens Mutter veranstaltete viel Wirbel um Avelyns Kopfwunde. Sie solle sich keine Gedanken machen, beschied sie Avelyn, denn sie gedenke einige Tage zu bleiben und sich um alles zu kümmern, bis Avelyn sich erholt habe. Lord Gerville seufzte resigniert, ehe er sich auf die Suche nach seinem Sohn machte.
„Und nun solltet Ihr Euch hinlegen und ausruhen.“ Lady Gerville schob Avelyn die Außentreppe hinauf und in die Halle. „Ich will eben noch die Bediensteten anweisen, alles abzuladen und ... Oh!“ Wie erstarrt blieb sie stehen und schaute sich um. „Ihr habt trotz Eurer Verwundung viel erreicht.“ Sie ließ den Blick über die frischen Binsen auf dem sauber geschrubbten Boden und die reparierte Treppe gleiten. „Wahrhaftig, es sieht schon viel besser hier aus.“
„Nach Avelyns Sturz hat Paen den Männern umgehend befohlen, die Treppe und den Fußboden im oberen Stock auszubessern“, klärte Diamanda sie auf.
„Stimmt“, pflichtete Lady Helen ihr bei. „Und auch sauber machen sollten sie, während er unterwegs war. Wir haben sie beaufsichtigt, bis Avelyn wieder auf den Beinen war. “
„Verstehe.“ Lady Gerville musterte Avelyns Stirn mit gestrenger Miene. „Ihr solltet Euch wirklich hinlegen, mein Kind. Kopfwunden sind heikel und ... “ Wieder blieb sie stehen. Dieses Mal war ihr Blick auf die Sau im hinteren Winkel der Halle gefallen. „Oje, sie ist wieder da, wie ich sehe.“
„Leider, aye." Avelyn folgte ihrer Schwiegermutter zu dem Tier. „Sie scheint das offene Portal als Einladung zu betrachten. Die Türen schließen nicht. Ich hatte vor, die Männer heute mit der Instandsetzung zu betrauen, war aber wohl nicht schnell genug. Zu allem Unglück wirft sie gerade, und daher werden wir sie wohl so bald nicht bewegen können“, fügte sie an, als Lady Gerville zielstrebig auf die Sau zuschritt.
„Oh weh, in der Tat.“ Lady Gerville seufzte schwer. „Nun, dann müssen wir sie fürs Erste wohl hierlassen, fürchte ich. “ Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf Avelyn. „Also, warum legt Ihr Euch nicht einfach hin? Wir haben mehrere Bedienstete dabei, und weitere folgen mit den Fuhrwerken und sollten ebenfalls bald da sein. Ich war, muss ich gestehen, zu ungeduldig, um an der Seite der langsameren Wagen zu bleiben. “
Doch Avelyn widersetzte sich Lady Gervilles Versuchen, sie zur Treppe zu komplimentieren. Schließlich hatte sie schon den Großteil des Tages verschlafen und wollte noch so manches erledigen.
Weitere Kostenlose Bücher