Die Braut des Satyrs
sondern nur bei natürlichen Dingen wie Blumen oder Bäumen.«
»Was geschah mit ihr?«, fragte Lyon.
»Ja, da würde ich deine Version auch gern hören«, ließ Sibela sich vernehmen.
»Es gab einen Jungen, eigentlich einen Mann, älter als ich«, erzählte Juliette. »Eines Nachmittags hatte ich – dumm, wie ich war – zugestimmt, mich mit ihm zu einem Schäferstündchen zu treffen, aber Elise kam uns nach. Wir alle stritten, doch sie war unerbittlich, und so gingen wir. Auf dem Heimweg wurden wir von Jagdhunden angefallen. Um zu entkommen, tauchte sie in die Loire und wurde eine Nymphe – was wir damals eine Meerjungfrau nannten –, während ich mich mit der nächsten Eiche vereinte. Ich war dabei, als sie angefallen wurde, aber ich konnte sie aus meiner Warte nicht mehr sehen. Hören konnte ich allerdings … alles.« Sie erschauderte und schlug beide Hände auf ihre Ohren, als müsste sie die qualvollen Laute bis heute aussperren.
»Was zweifellos der Grund sein dürfte, warum du Angst vor Tieren hast«, murmelte Lyon.
»Eines erstaunt mich allerdings«, sagte Sibela nachdenklich. »Im Gegensatz zu dir sah ich den Angriff an jenem Tag, und mir schien, als hätten die Hunde es auf deine Schwester abgesehen. Ich zog sie tiefer, als die Köter schwimmen konnten, und so ließen sie endlich, wenn auch höchst widerwillig, von ihr ab.«
»Du denkst, dass es Mord war?«, wollte Jane sich versichern.
Gleichgültig zuckte Sibela mit den Schultern.
»Das dachten damals viele«, stimmte Juliette wieder ein. »Und ich wurde deshalb des Mordes angeklagt, weil man mich am Fluss fand, mit ihrem Blut überall an mir. Ich werde immer noch in Burgund gesucht.«
»Du hast dich fröhlich davongemacht und zugelassen, dass Juliette die Schuld und das Stigma einer Mörderin trägt? Wissend, dass sie unschuldig ist?«, erkundigte Lyon sich.
»Wie sollte ich denn ahnen, was im menschlichen Rechtssystem vonstatten ging?«, protestierte Sibela.
»Hier stimmt immer noch etwas nicht«, überlegte Lyon. »Trotz allem fühle ich mich an dich gebunden, Juliette.« Er sah sie prüfend an. »Wie kommt das?«
»Hat Lyon sich mit dir vereint, nachdem du ihn in seinem Hotel mit dem Zauber belegt hattest?«, fragte Nicholas, als wäre nichts so alltäglich wie diese Frage an eine Dame.
»Nein!«, antwortete Juliette, die Lyon erzürnt anfunkelte. Jane und Sibela hatten ihre Augen geschlossen und überließen es ihr, mit ihm und seinem Bruder fertig zu werden.
»Ja, ich erzählte ihm in jener Nacht von deiner Magie«, erklärte Lyon ohne eine Spur von Reue. »Naturgemäß gibt es in dieser Familie wenige Geheimnisse.«
»Hast du ihn in irgendeiner Weise berührt, die auch nur entfernt als geschlechtlicher Akt bezeichnet werden könnte?«, hakte Nicholas nach.
Juliette starrte auf ihren Schoß.
Mit seinem Kind in den Armen kniete Lyon sich neben sie und stupste sie mit seinem Ellbogen an. »Was ist geschehen?«, fragte er sanft.
Sie benetzte ihre Lippen. »Ich weiß, dass es falsch war, aber ich konnte nicht widerstehen. Ich schwöre, dass ich so etwas noch nie zuvor getan habe!«
»Was?«
»Sie hat dich gekostet«, stöhnte Sibela müde, die sich auf dem Sofa umdrehte und ihre Beine streckte, so dass Juliette und Jane gezwungen waren, ihre Positionen ebenfalls zu verändern. »Ich habe sie in der Nacht im Hotel auf dir gerochen – was dich allerdings nicht von deiner Pflicht mir gegenüber entbindet!«
Juliette bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.
»Nur damit ich das richtig verstehe«, sagte Lyon zu ihr. »Du sagst, dass du meinen Samen gekostet hast, bevor du aus meinem Hotel gegangen bist?«
»Lyon! Musst du so unverblümt sein?«, murmelte Jane.
»Antworte ihm!«, forderte Nicholas streng.
Juliette senkte ihr Haupt noch tiefer und nickte, wobei sie feuerrot vor Scham wurde.
»Das ändert alles«, verkündete Lyon höchst zufrieden.
Sibela lehnte sich vor und rieb ihre Augen, um wach zu bleiben. »Wie?«
»Es bedeutet, dass Juliettes Anspruch der ältere ist«, klärte Jane sie auf und drückte dabei Juliettes Hand.
»Aber du hast mit
mir
das Bett geteilt!« Sibela schlug sich zur Betonung an die Brust. »In dem Park, bevor du wusstest, dass sie überhaupt existiert! Und ich habe deine Brut vier Wochen lang in mir herumgetragen. Das dürfte doch wohl mir das höhere Recht einräumen!«
»Der erste Kindsamen bei Vollmond ist entscheidend für die Bindung«, erläuterte Nicholas und hob eine Hand, ehe
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