Die Braut des Satyrs
er den Wunsch, sie zu sehen, sie bei sich zu haben. Wo war sie?
»Autsch! Lass das!« Er drehte sich zu Sibela. Seine Tochter umklammerte mit ihren winzigen Fingern eine der vielen Ketten am Hals ihrer Mutter und zurrte daran, während sie trank.
Nick sah ihn mit hochgezogenen Brauen an.
Eine Nereide?
, fragte seine Miene.
»Es wird noch schlimmer«, warnte Lyon ihn, worauf Nicholas ihm einen ungläubigen Blick zuwarf.
»Ich weiß, dass ich dir eine Erklärung schulde, aber zuerst muss ich Juliette finden«, verkündete Lyon.
»Warte!«, rief Jane, die zurückgekommen war.
Er drehte sich ungeduldig um und erkannte, dass sie seine Hose in die Höhe hielt, die er abends achtlos auf die Erde geworfen hatte.
»Darf ich vorschlagen, dass du deine Aufmachung korrigierst, ehe du zu ihr gehst?«, äußerte sie taktvoll.
»Verzeih mir!«, entschuldigte er sich, obschon sie ihn bereits häufiger nackt gesehen hatte. In der Familie gab es wenige Geheimnisse.
Hastig streifte er sich die Hose über, sammelte seine Stiefel zusammen und stieg hinein. Bis er fertig war, hatte Jane Sibela in ihren Umhang gehüllt.
Dann gingen sie alle zu seinem Haus.
Vor allen anderen stürmte Lyon die Vordertreppe seines Hauses hinauf, warf die Tür auf und nahm den Duft seiner Geliebten wahr. Er war frisch.
Den Göttern sei Dank!
»Juliette!«, brüllte er.
»Hier«, kam die leise Antwort. Er folgte ihrer Stimme und fand sie im größten Salon.
Sie musterte ihn von oben bis unten, ehe sie den Blick abwandte. Natürlich konnte er sich vorstellen, wie sie seine Aufmachung deutete. Da er sein Hemd seiner Tochter gegeben hatte, war sein Oberkörper nackt, und Sibela hatte ihn, wie üblich, reichlich zerkratzt.
Er nahm Juliette in seine Arme und tippte unter ihr Kinn. »Sieh mich an!« Als sie es tat, war er unendlich froh, dass ihre Augen nicht umwölkt vom Laudanum waren. Sie hatte es seit dem Tag ihrer Ankunft nicht mehr genommen, doch war er besorgt gewesen, dass der Stress der letzten Nacht sie wieder zurück zu der Droge getrieben haben könnte.
Sanft entwand sie sich ihm. »Es ist gut. Ich weiß, was geschehen ist, und ich verstehe auch, was es für meine Stellung bedeutet.« Was sie nicht tat, denn sonst wäre sie nicht so steif und distanziert.
Er schüttelte sie sanft, um sie aus ihrer Apathie zu holen. »Dein Platz bleibt derselbe. Du bist mein Leben, meine Liebe!«
Jemand drängte sich zwischen sie.
»Hier. Ich hoffe, du weißt, wie man damit umgeht«, tat Sibela kund, die Juliette das wimmernde Neugeborene in die Arme drückte. »Ich habe weder das Talent zum Muttersein noch den Wunsch, es zu lernen.« Mit diesen Worten warf sie sich auf das einzige Sofa, das Juliette kürzlich aus einem Geschäft in Florenz hatte herbringen lassen, und rollte sich zusammen, um zu schlafen.
Juliette starrte entgeistert auf Sibelas Gabe. Eine winzige Faust reckte sich aus Lyons Hemd, die sie instinktiv in ihre Hand nahm. Fast sofort war das Baby still, doch als hätte seine Stimmung sich auf Juliette übertragen, nahm ihr Gesicht einen weinerlichen Ausdruck an.
»Ja, natürlich.« Sie senkte den Kopf und wandte sich ab, um Lyons Kind aus dem Salon zu bringen.
Er musste einen Fluch unterdrücken, als er ihren Arm ergriff. »Juliette …«
»Bitte, nicht jetzt!«
»Geh nicht zu weit weg!«, bat er resigniert. »Wir haben hier einiges zu besprechen, und du solltest dabei sein.«
Sie nickte, ohne ihn anzusehen, denn sie weinte.
»Un moment.«
»Bleib in Sichtweite!«, wies er sie an, ehe er sie losließ, denn er traute ihr zu, dass sie überstürzt zu fliehen versuchte.
»Lyon!«, schalt Jane ihn leise, die inzwischen mit Nicholas im Salon angekommen war.
»Geh mit ihr!«, drängte er sie. »Achte darauf, dass sie nicht verschwindet!«
Jane sah seine Sorge und stellte keine Fragen, sondern setzte sich zu Juliette und dem Baby am Ende des Sofas, so dass sie zwischen ihnen und Sibela hockte. Die Kleine hatte wieder zu schreien angefangen.
»Deine Tochter braucht dich«, flüsterte Jane Sibela zu.
»Juliette will den Vater, dann soll sie auch sein Kind nehmen«, antwortete Sibela.
»Halt den Mund!«, knurrte Lyon. Er nahm Juliette das Baby ab und legte es an Sibelas Brust.
Die Nereide zog die Brauen zusammen, nahm aber das kleine Mädchen unter den Umhang, wo es zu saugen begann. »Redet man so mit der Mutter seines Erstgeborenen?«
»Trotz des Kindes ist dein Anspruch auf meinen Bruder nicht so unverbrüchlich, wie du es gern
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