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Die Braut des Satyrs

Die Braut des Satyrs

Titel: Die Braut des Satyrs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Amber
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hängte die Kette über ihr Knie, so dass sie zu beiden Seiten hinunterbaumelte. Gedankenverloren strich sie über die Perlen. Es waren siebzehn an der Zahl, aufgezogen auf ein langes Seidenband, das sie um den Hals getragen hatte, bis sie sechzehn Jahre alt war – bis Valmont sie bat, solche Dinge abzulegen.
    Ihre Finger ertasteten das dicke Medaillon aus Zinn und Eisen unten an dem Band. Auf der einen Seite war ein Bild des heiligen Vincent de Paul eingraviert, auf der anderen standen zwei Zahlen: 1804 und 8900.
    Im Jahre 1804 war sie als 8900. Findelkind ins Hospice des Enfants Trouvés gekommen. Obgleich das Heim keine Stunde Fußweg entfernt von hier lag, hatte sie es erst einmal aufgesucht, vor einem Jahr. Es war in der ersten Woche nach ihrer Rückkehr gewesen, und der Besuch hatte sich als viel zu schmerzlich erwiesen. Seither mied sie es, auch nur in die Nähe des Heims zu kommen. Nicht vermeiden ließ sich indes, dass sie es Tag für Tag im Schatten von Notre Dames sah.
    Man konnte ziemlich sicher annehmen, dass sie ein uneheliches Kind war und ihre Mutter niemals geplant hatte, sie eines Tages aus dem Heim zu sich zu holen. Bei Juliette wurden keinerlei Nachrichten oder Hinweise auf ihre Identität gefunden, wie sie andere Mütter in die Decken ihrer Babys wickelten, bevor sie die unerwünschten Kinder vor Kirchen- oder Heimtüren ablegten. Sie konnte nicht wissen, ob ihre Mutter sie allein dort abgelegt hatte, nahm es allerdings stets an, denn für gewöhnlich waren die Väter an diesem Punkt schon lange fort.
    Bei ihrer Ankunft im Heim für Findelkinder wurden die einzig bekannten Fakten über sie säuberlich im
Registre d’Admission
notiert. Geschlecht: weiblich. Alter: ein Tag. Name: Juliette. Außerdem wurden dort ihre Kleidung und die Decke beschrieben, in die sie gehüllt war. All das hatte sie bei ihrem Besuch im letzten Jahr gesehen, als sie erstmals erfuhr, an welchem Tag sie geboren war. Nächsten Monat würde sie neunzehn.
    Anscheinend war sie irgendwann in den frühen Morgenstunden des 20. Dezember 1804 geboren worden, wurde gebadet und in feine Wolldecken gehüllt und dann auf der berüchtigten »Tour« des Heims abgelegt. Hierbei handelte es sich um eine steinerne Drehplatte in einer Öffnung der Außenmauer. Eine Holzkiste auf dem Stein diente als Behelfswiege, die es für Juliettes Mutter leichtmachte, ihr Baby anonym hineinzulegen und das Steinrad zu drehen, bis die Kiste in der Mauer verschwunden war.
    Hatte ihre Mutter geweint, als sie das Rad drehte? Hatte sie hingesehen, bis der Holzkasten mit ihrem Baby ganz im Innern des Heimes war? Und hatte sie geläutet, ehe sie ging, um den Wohltätigen Schwestern Bescheid zu geben, dass ein weiterer ungewollter rotgesichtiger Säugling angekommen war?
    Juliette umschloss die Perlen mit der Faust und hielt sie fest. Ihr Herz weinte um das Pergament, das ihr heute gestohlen worden war. Damit niemand sie zu dem Papier befragte, hatte sie lediglich einen kurzen Blick darauf geworfen, bevor sie es rasch in ihrem Korb versteckte, um es später in Ruhe anzusehen, hier, in der Abgeschiedenheit ihrer Kammer.
    Natürlich war es dumm und riskant gewesen, das Blatt überhaupt zu entwenden. Doch von dem Moment an, als sie von der Existenz des Buches gehört hatte, hatte sie sich danach gesehnt, alles über sich zu erfahren, was darin stand. Andere Waisenkinder bekämen vielleicht Zugang zu allen persönlichen Informationen, die es über sie gab, aber Juliette wagte nicht, ihre Identität zu enthüllen, denn womöglich übergab man sie dann sofort den Behörden.
    Entgegen ihren Erwartungen hatte sie auf jener Buchseite etwas entdeckt, das sie im höchsten Maße überraschte.
    Gleich unter ihrem Namen hatte noch ein vertrauter gestanden.
    Elise.
    Ein kräftiges Klopfen an der Tür ließ sie zusammenfahren.
    »Mademoiselle?«
    »Un moment!«
Hastig legte sie die Kette wieder in den Beutel und den Beutel zurück in sein Versteck.
    Ihre
Domestique
war gekommen, um sie für den Salon herzurichten. In nicht einmal einer Stunde musste sie unten erscheinen. Und dann würde die heutige Vorstellung beginnen.
     
    »Süßer Triumph«, murmelte Monsieur Valmont neben Juliette.
    Ihr Atem stockte, als sie den Neuankömmling durch die Scheiben des dekorativen Kassettenfensters erblickte. Er war es, der Mann von der Brücke, der Mann, der ihr ihren ersten Orgasmus beschert hatte.
    Oder doch nicht? Sie beugte sich ein wenig vor, um zwischen den Gusseisenstreifen hindurch

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