Die Braut des Satyrs
fest, dass sein Gesicht wutverzerrt war. »Was meinst du?«
Anstelle einer direkten Antwort betrachtete er sie nachdenklich und entgegnete: »Du wirst ihm heute Abend den Vorzug geben. All die Jahre, die du in unmittelbarer Nähe unserer Weinberge lebtest, sollten es dir leichtmachen, Satyrs Interesse zu fesseln. Schmeichle ihm, und sprich mit ihm über seine Arbeit.«
»Was genau soll ich ihm bei dem Gespräch entlocken?«, fragte sie skeptisch.
»Alle Einzelheiten, die du über den Weinbau auf seinem Grund in Erfahrung bringen kannst. All seine Schwächen oder die seiner Familie. Frag ihn, wie es kommt, dass seine Weinstöcke immun gegen die Phylloxera sind. Und sollten sie einen Befall gehabt und ihn besiegt haben, will ich wissen, wie.«
»Denkst du, er wird mir all das einfach verraten?«
»Bezaubere ihn auf deine übliche Art!«, wies Valmont sie an und wischte ihre Bedenken mit einer Handbewegung weg. Dann wandte er sich um, was ein Zeichen für sie war, dass es Zeit wurde, sich unter die Herren zu mischen. »Zeig ihm die Zimmer, tu alles, was nötig ist, um die Informationen von ihm zu bekommen, die ich will!«
»Die Zimmer? Das hast du noch nie von mir verlangt! Gewöhnlich gehen nur Agnes, Gina oder eine der anderen …« Sie konnte es nicht einmal aussprechen, deshalb wandte sie sich wieder zu der Scheibe und sah weiter nach unten in den Salon.
Plötzlich richteten sich zwei Bernsteinaugen auf die Nische, in der sie verborgen war, und eine Welle erotischster Gefühle rollte über sie hinweg.
Bei Gott, er war es!
Sie trat zurück und kollidierte mit Valmont. Sogleich wich sie aus und streifte die Scheibe. Für einen kurzen Moment vibrierte das Gusseisengerüst an ihrer Schulter auf jene seltsam metallische Art, die es unmöglich machte, zu entscheiden, ob es sich kalt oder heiß anfühlte.
Valmont packte ihren Arm und riss sie zu sich, um ihr prüfend ins Gesicht zu schauen. Offenbar gefiel ihm nicht, was er an ihrer Miene ablas, denn er zerrte sie näher an sich, hob ihr Kinn und strich ihr gefährlich sanft mit seinem Daumen über die Unterseite ihres Kinns. Juliette neigte ihre Schultern vor, damit ihre Brüste sein Jackett nicht berührten.
»Findest du ihn anziehend?«
Sie zuckte mit den Schultern und rang sich einen gleichgültigen Gesichtsausdruck ab. »Du weißt, dass ich mich für keinen Herrn jemals besonders interessiere.«
»Deine Wangen sind gerötet.«
»Nur weil mir warm ist.«
Sein Gesicht kam noch näher. Absinthgetränkter Atem blies über ihre Wange und wurde wieder eingesogen. Der schwindelerregende Lakritzgeruch des Anis war aus solcher Nähe unverkennbar.
Sie krümmte sich innerlich, war jedoch darauf bedacht, ihren Ekel nicht zu zeigen, als kalte feuchte Lippen sich auf ihre legten. Früher hatte sie ihn für gutaussehend und freundlich gehalten, sich gewünscht, von ihm geküsst zu werden. Wie dumm sie damals gewesen war!
Ohne an den Raum voller Gäste unten zu denken, die auf sie warteten, strich er mit seinem Mund auf ihrem hin und her. »Eine solche Anziehung wäre verständlich«, murmelte er. »Er ist eine angenehme Erscheinung, zudem ist er reich und besitzt einen tadellosen Titel. Die Namen der Satyr-Nachkommen stehen seit Jahrhunderten an prominenter Stelle im
Libro d’Oro della Nobiltà Italiana
.«
»Wenn du meinem Wort nicht traust, was meine Gefühle betrifft, wie kommt es, dass du mir zutraust, mit ihm allein zu sein?«
»Du wärst nicht allein. Ich beschäftige eine Menge Leute, die hier und auch sonst überall ein Auge auf dich haben. Mir ist wohlbekannt, dass Frauen von Natur aus listig und nicht vertrauenswürdig sind – du noch mehr als die meisten anderen.«
»Das ist nicht wahr! Du weißt, dass es nicht wahr ist!«
Finger glitten unter ihr Haar und packten ihren Nacken, so dass sie sich nicht mehr rühren konnte. Eine blasse Hand legte sich auf ihren Busen und rieb ihn fest, bereitete ihr absichtlich Schmerzen. Sie wollte sie wegschieben, doch Valmonts Griff wurde nur noch härter. Seine Augen lächelten herausfordernd. Sollte sie nur versuchen, sich gegen ihn zu wehren!
»Deine Mutter verließ dich. So etwas tut nur die niederste Schlampe ihrem Kind an. Was uns in die Wiege gelegt wurde …«
»Du tust mir weh!«, zischte sie zwischen zusammengebissenen Zähnen.
Er ignorierte sie. »Du
wirst
Satyr in die Hinterzimmer mitnehmen, falls er es verlangt! Ja,
du
wirst es ihm sogar vorschlagen! Und dort entlockst du ihm alles, was ich wissen
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