Die Braut des Satyrs
legte eine Hand auf ihr wild pochendes Herz. Wie lange würde er dort draußen bleiben?
Es kümmerte sie nicht, redete sie sich ein. Sie verließ das Haus äußerst selten, und Monsieur Valmonts Wachhunde waren scharf. Dieser Fremde konnte ihretwegen das ganze nächste Jahr zu ihrem Fenster hinaufsehen.
Lächerlich! Als würde er das jemals tun! Er hatte weit größeren Eindruck auf sie gemacht als sie auf ihn. Folglich war sie eindeutig froh, dass er fortging.
Sie rutschte an der Wand hinab, bis sie mit angewinkelten Beinen auf dem Boden hockte, die Arme um ihre Knie geschlungen. Ihre Tropfen fingen bereits an, sie zu wärmen und die scharfen Ecken und Kanten der Realität weichzuzeichnen. Allerdings stellte sich auch deren andere Wirkung ein: Sie weckten die Sehnsucht in ihr nach dem, was sie nie haben dürfte, nach der Berührung eines Mannes.
An ihren intimsten Stellen spürte sie noch den Nachhall der intensiven Empfindungen, was ihr Verlangen schlimmer denn je machte.
Er war schuld.
Was war draußen geschehen? Wie konnte es sein, dass sie, das einzige weibliche Wesen im Haus, das noch nie einen Mann zwischen den Schenkeln gehabt hatte, heute Abend von einem eingenommen worden war, der ihr nicht einmal physisch nahekam?
Ein entsetzlicher Gedanke jagte ihr durch den Kopf.
O Gott! Hatte er ihr die Jungfräulichkeit genommen? An diese Möglichkeit hatte sie überhaupt nicht gedacht. Wie dumm von ihr!
Sie spreizte die Knie seitlich ab und beugte sich vor, während sie mit einer Hand unter ihre Röcke griff. Rasch glitt sie mit einem Finger suchend zwischen ihre Schenkel. Die Schamlippen, die ihre weibliche Öffnung schützten, fühlten sich feucht an. Klebriger, stark duftender Nektar haftete an ihren Innenschenkeln.
Er hatte ihr das angetan, hatte bewirkt, dass ihr Schoß nach ihm verlangte. Sie drang mit dem Finger ein Stück in sich ein, dann ein bisschen tiefer. O bitte, bitte, wo war es? Im nächsten Moment stieß ihre Fingerspitze an die Barriere, die sie suchte. Eine zarte Membran. Ihr Jungfernhäutchen. Es war noch intakt.
Erleichtert und zugleich verwirrter denn je, sank sie in sich zusammen. Sie nahm ihre Hand wieder hervor und wischte sie an dem Leinen ab, das am Waschtisch hing. War sein Schaft – oder irgendetwas von ihm – wirklich in ihr gewesen oder nicht?
Sie stand auf und schaute noch einmal aus dem Fenster. Der Mann war nirgends zu sehen. Die Stirn an das kühle Glas gepresst, blickte sie sich genauer auf dem Quai um. Nein, er war fort.
Wäre es doch nur möglich herauszufinden, was er wusste, ohne von Angesicht zu Angesicht mit ihm zu sprechen! Was sich so oder so nicht arrangieren ließ, selbst wenn er zum Haus zurückkäme.
Erst recht absurd wäre, Valmonts Bedienstete zu bitten, ihn an ihrer statt zu befragen:
Pardonnez-moi, monsieur, aber könnten Sie mir sagen, wer die Dame war, mit der Sie heute Abend unter der Brücke intim wurden? Und wären Sie so freundlich, mir zu verraten, ob Sie Damen zum Orgasmus bringen können, ohne sie zu berühren? Mademoiselle Juliette würde es gern erfahren.
Ausgeschlossen!
Nach Osten hin fiel ihr Blick auf ein vertrautes Gebäude: das Hospice des Enfants Trouvés – das Heim für Findelkinder. Dornengleich ragten die Spitzgiebel in den Himmel auf, erhobene Zeigefinger, die an schmerzliche Erinnerungen gemahnten. Juliette ließ den Vorhang los, zog ihn fest zu und stand stocksteif da, fast zu ängstlich, um Luft zu holen.
»Je ne suis pas folle«
, flüsterte sie zittrig. »Ich bin nicht verrückt, nein, das bin ich nicht!«
Drei Jahre war es her, seit ein Großteil der Magie von ihr abgefallen war.
Vor drei Jahren hatte ihr Körper zuletzt versucht, sich so zu wandeln wie heute Abend auf der Brücke.
Drei Jahre waren vergangen, seit sie des Mordes angeklagt worden war und den Menschen verloren hatte, der ihr der teuerste auf der Welt war.
Ihr Blick wanderte zum zweiten Dielenbrett von der Wand neben ihrem Bett aus. Immer noch zitternd, ging sie hin und kniete sich auf den Boden. Unsicher sah sie nach, ob ihre Tür noch fest geschlossen war. Einen Riegel gab es nicht, weshalb sie sich mit dem Rücken zur Tür hockte und auf Schritte lauschte.
Dann drückte sie das eine Ende des Dielenbretts nach unten, worauf sich das andere hob, unter dem sich ein Lederbeutel befand. Sie zog ihn heraus, öffnete ihn und nahm eine Kette mit olivenförmigen Perlen hervor, die dort zwischen den Münzen lag.
Sie stellte ein angewinkeltes Bein auf und
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