Die Braut des Satyrs
Fisch war er, dieser Raine Satyr, der mittlere der drei Brüder. Leider verließ er Paris, ehe ich ihn zu einer Soirée laden konnte.« Er zeigte auf den Salon unten. »Dieser hier ist der Jüngste der Brüder, sechsundzwanzig Jahre alt. Der Älteste hat sich unlängst vermählt. Nach Jahren, in denen sie alles vögelten, was sich bewegte, ließen alle drei in letzter Zeit Gerüchte streuen, dass sie auf Brautschau wären.«
Juliette wollte unbedingt Näheres wissen. »Sind sie gute Partien?«
»Außerordentlich gute sogar. Ihnen dreien gehören riesige Ländereien, ein äußerst ertragreiches Weingut und kistenweise ererbte Reichtümer.«
»Gedeihen ihre Weinberge immer noch?«, fragte Juliette verwundert. »Sind sie denn nicht von der Phylloxera betroffen?«
Nun bekam Valmont einen verbitterten Gesichtsausdruck. »
Oui.
Obgleich niemand begreift, wie das sein kann. Und ganz gewiss ist es alles andere als fair, dass sie nach wie vor die besten Weine keltern, während alle anderen Winzer in den Ruin stürzen.«
Im Salon hatte die forschere Gina Fleur am Arm des Neuankömmlings abgelöst und zeigte ihm Valmonts Kunstsammlung. Wobei die zahlreichen Büsten, Statuen, Ölgemälde und Aquarelle bloß einen kleinen Teil dessen darstellten, was seine Familie einst besessen hatte. Aber die Schätze im Salon und jene in den übrigen Räumen waren alles, was er von seinem Château in Burgund schaffen konnte, ehe die Steuervollzugsbeamten den Besitz pfändeten.
Juliette war dort gewesen und hatte mitangesehen, wie das vormals so erfolgreiche Weingut seines Vaters binnen weniger Jahre von der Phylloxera zerstört wurde. Die Weinberge der Valmonts in Burgund hatten zu den ersten gehört, die vom Schädlingsbefall verwüstet wurden. Die Pest, wie sie unter den Winzern hieß, dezimierte die Weingüter Europas in erschreckender Geschwindigkeit.
Valmonts Vater hatte sich in seiner Verzweiflung das Leben genommen. Dieses Stadthaus – das kleinste von vielen Domizilen, die seine Familie ehedem besessen hatte – war alles, was Valmont vom Vermächtnis seines Vaters geblieben war. Und er füllte es mit Freudendamen, die sein Einkommen sicherten.
Juliette hatte fast Mitleid mit ihm wegen des Unglücks, dass die Pest über seine Familie gebracht hatte. Aber nur fast.
Unten schritt Satyr mit panthergleicher Geschmeidigkeit neben Gina her. Sein Gang erinnerte sie an die Art, wie er sich im Park auf der anderen bewegt hatte – und wie es sich anfühlte, als er sich in ihr bewegte. Sie bekam eine Gänsehaut.
Sollte es sich wahrhaftig um denselben Mann handeln, den sie zuvor am Pont Neuf sah, hatte er sich in der letzten Stunde umgekleidet. Seine senffarbene Wollhose schmiegte sich bei jeder Verlagerung seiner Hüften, bei jedem Schritt äußerst vorteilhaft an seinen wohlgeformten Po. Dazu trug er ein Leinenbatisthemd in Naturweiß und ein schlicht elegantes Jackett in Olivgrün. Die Kleidung passte zu ihm, auch wenn sie hoffnungslos
démodé
war und von niemandem in der Gesellschaft je als modisch bezeichnet werden würde.
Dennoch verstand Juliette, weshalb Agnes und die anderen ihn immerfort interessiert beäugten. Inmitten der eitlen Gecken hier fiel er auf wie ein wildes erdverbundenes Tier auf der Höhe seiner Kraft. Eines, das sich seinen eigenen Weg wählte und sich seiner selbst sicher genug war, um sich nicht den Launen der Mode zu beugen.
Für einen so großen Mann bewies er eine überraschende Eleganz und Leichtigkeit. Juliette hielt erschrocken den Atem an, als sein Ellbogen sich an dem Bogen einer Statue verfing und sie ins Schwanken brachte. Es war eine Skulptur der Diana, der römischen Göttin der Jagd, ein Lieblingsstück von Valmont.
Mit seinen riesigen Händen fing er die wackelnde Göttin ab. Halb nach hinten gebeugt, balancierte er Diana aus, musste sie teils an sehr unpassenden Stellen halten, schaffte es aber schließlich, sie wieder auf ihren Sockel zurückzustellen.
Aller Augen im Raum waren auf ihn gerichtet, als der Riese sich wieder gerade machte und seufzend seine Schultern rollte, als wäre er daran gewöhnt, derlei Aufruhr in Salons zu stiften. Seine Worte konnte Juliette nicht verstehen, aber was immer er sagte, sorgte für allgemeines Gelächter.
»Ein Mann, der über sich selbst lachen kann, welch seltenes Geschöpf!«, murmelte Juliette.
»Tolpatsch!«, raunte Valmont. »Für jeden etwaigen Schaden an der Statue zahlt er mir – wie für manch anderes!«
Juliette sah zu ihm und stellte
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