Die Braut des Satyrs
will. Aber egal, wie viel Druck er auf dich ausübt, du wirst dich nicht zu seiner Hure machen!«
Dann küsste er sie wieder, genoss ihre Hilflosigkeit. Seine Zunge peitschte in ihren Mund, füllte ihn, dass Juliette an ihrem Ekel zu ersticken drohte. Sie ließ ihre Hände sinken und ballte sie zu Fäusten.
Nach einer halben Ewigkeit schienen ihm endlich die Gäste wieder einzufallen und er wich zurück.
»Gina, Fleur und die anderen sind es nicht, um deretwillen unsere Gäste herkommen, wie du weißt«, sagte er und umfasste ihr Kinn. »Du bist es, die sie wollen. In Paris gibt es haufenweise schöne Frauen, aber etwas an dir zieht die Männer an wie der Honigtopf die Bienen. Sie ahnen ja nicht, dass dein Nektar trocken und ungenutzt ist, nicht? Umso dümmer für sie.«
Seine reptilartige Zunge strich über seine Lippen, als wollte er ihren Geschmack bis zum letzten Tropfen auskosten. Dann zupfte er ein Leinentuch aus seiner Tasche, tupfte sich den Mund und wandte sich ab, um erneut durch die Scheibe zu sehen.
»Geh auf dein Zimmer, und mach dich vorzeigbar!«
Sie starrte auf seinen Rücken und malte sich aus, einen Dolch hineinzustoßen. Aber stattdessen eilte sie davon und schalt sich für ihre Feigheit. So war sie nicht immer gewesen.
»Bleib nicht zu lange!«, warnte er sie, bevor sie durch die Tür huschte.
Bis sie in ihrer Kammer war, ging ihr Atem schnell vor Eile und Wut.
Mit zitternden Fingern goss sie sich Wein ein und öffnete das Fläschchen auf ihrem Waschtisch, um ein wenig Laudanum hinzuzugeben. Es tropfte in den Wein wie Tränen in Blut. Juliette verrührte die Tinktur mit der Pipette und trank.
Sie blickte nicht in den Spiegel, als sie das Rouge von ihren Lippen rieb und frisches auftrug. In diesem Moment konnte sie sich selbst nicht leiden. Wie sie sich überhaupt nicht mögen würde, ehe sie nicht Valmont und diesen Ort weit hinter sich gelassen hatte. Mit ein wenig Glück würde der Tag bald kommen.
Das angenehm schwebende Gefühl, das die Tinktur verlässlich bewirkte, breitete sich wie ein beruhigendes Streicheln in ihr aus. Träge bewegte sie ihren Kopf, um ihre Nackenverspannungen zu lösen.
Hmm.
Es war ein angenehmes Gefühl, beinahe wie eine sehr viel sanftere Version des Orgasmus, den der goldene Riese ihr heute geschenkt hatte.
Seufzend puderte sie sich die Wangen, richtete ihr Kleid und machte sich bereit wie eine Schauspielerin, die im Begriff war, auf die Bühne zu treten.
»Ist ärrste Mall hierr?«, fragte eine männliche Stimme mit einem starken Akzent an Lyons Ellbogen.
Lyon schwenkte den Wein in seinem Glas und beobachtete, wie das Kerzenlicht in den hellbraunen Tiefen tanzte. Kein Satyr-Wein, bemerkte er gedankenverloren. Dennoch war der
Clairette
, den sein Gastgeber reichte, qualitativ angemessen und zweifellos dazu bestimmt, seine Sinne zu benebeln und ihn zu verlocken, sehr großzügig für die Dame zu bieten, die heute Abend zur Versteigerung stand.
Und er würde bieten. Was immer es kostete, er beabsichtigte, das Juwel zu gewinnen, das hier angeboten wurde: eine Mademoiselle Juliette Rabelais, die anscheinend eine Kurtisane war.
Augen von exakt der Farbe des Weines blickten zu der Chaiselongue hinüber, wo sie saß. Unter den dunklen Wimpern blitzte ein Hauch Meergrün zu ihm auf, wandte sich jedoch gleich wieder ab. Sie hatte ihn beobachtet.
Ihre bemerkenswerte Augenfarbe war identisch mit Sibelas. Auch ihre Gesichtsformen und ihre sonstigen Züge ähnelten sich verblüffend – so sehr, dass es kein Zufall sein konnte. Diese Frau hier und die Nereide mussten verwandt sein.
Es mochte unglaublich sein, aber allem Anschein nach hatte König Feydon vier Töchter gezeugt und nicht drei, wie er in seinem Brief schrieb. Wusste diese Frau, dass sie eine Schwester hatte? Hatte Feydon es gewusst, als er im Sterben lag? Es hätte zu ihm gepasst, dieses Geheimnis mit ins Grab zu nehmen.
Lyon nickte beiläufig dem Kosaken neben sich zu, der ihn angesprochen hatte – eine verspätete, wortlose Antwort. Großspurige Russen mit Pelzmützen und weiten Hosen trieben sich dieser Tage, seit sie als Verbündete gegen Napoleon mit angetreten waren, scharenweise in Paris herum.
Nachdem das Mädchen namens Agnes es aufgegeben hatte, ihn bezirzen zu wollen, hatte Lyon gespürt, wie der Russe sich ihm näherte, und schon eine Menge über ihn erahnt, ehe er auch bloß einen flüchtigen Blick in dessen Richtung geworfen hatte. Seine Stiefel waren kürzlich mit Bärenfett
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