Die Braut des Satyrs
chérie
«, entgegnete er, was gelogen war, wie Juliette wusste. »Ich weiß, was mein ist und wann ich es teilen muss.«
»Ja, das habe ich vor drei Jahren gelernt.«
Seine Miene wurde strenger. »Pass auf! Das klingt verdächtig nach Kritik.«
»Pardonnez moi, monsieur«
, lenkte sie ein. Doch sie stellte fest, dass es zu spät war. Sie hatte ihm einen Vorwand geliefert, grausam zu werden.
»Du erzählst mir, er wolle dich nicht wiedersehen, dann wieder sagst du, er wolle es sehr wohl. Nun beginne ich, mich zu fragen, ob du ebenso in anderen Dingen gelogen hast. Du warst doch wohl nicht unartig, Juliette? Hast du mir heute Abend mit Lord Satyr Hörner aufgesetzt?«
»Du weißt, dass ich das nie tun würde«, murmelte sie.
»Bei Vollmond, sagt man, sind er und seine Brüder außergewöhnlich überzeugend.«
»Dennoch wurde ich nicht überzeugt.«
»Dann vielleicht von einem deiner anderen vornehmen Besucher in jüngster Zeit? Hast du ohne meine Erlaubnis für einen der Herren deine hübschen Beine breitgemacht?«
»
Nein!
Ich schwöre es.«
Er schnalzte skeptisch mit der Zunge. »Zu lange schon nehme ich dich beim Wort. Heute Abend sollte ich wohl besser einmal nachsehen.« Er stürzte den Rest seines Absinths hinunter und stellte das Glas ab. Dann nahm er ihr ihres ab und leerte es gleichfalls. Anschließend ergriff er ihren Arm und geleitete sie zur Treppe, als begleitete er sie zu einem feierlichen Anlass.
Dabei führte er sie nach oben in sein privates Refugium, einen Raum, den sie von allen in diesem Hause am meisten hasste. Drinnen mied sie die verwundeten glasigen Augen, die sie von jeder Wand aus anstarrten. Valmont nannte dies sein Trophäenzimmer, das er mit Köpfen und Körpern all jener Tiere dekoriert hatte, die er und sein Vater getötet hatten, weil es ihnen Spaß machte. Von den zahlreichen Besitztümern auf seinem Anwesen in Burgund hatte er diese elenden, seelenlosen Jagdtrophäen ausgewählt und nach Paris mitgenommen.
Gesenkten Blickes wartete sie, während Valmont zu seinem Waschtisch ging und sich die Hände wusch. Er schätzte es nicht, wenn seine Bediensteten begannen, ehe er so weit war.
Nachdem er sich an den mächtigen Schreibtisch gesetzt hatte, der das Zimmer dominierte, nickte er einmal kurz. »Mach dich bereit!«, wies er sie an.
»Wofür?«
Er antwortete mit einem weiteren Nicken, diesmal zur Vitrine. Juliette wusste, was sich darin befand.
»Bestrafst du mich?«
Ungeduldig knallte er seine Faust auf den Schreibtisch. »Denkst du allen Ernstes, ich würde dir einfach glauben, dass er dich heute Abend nicht gevögelt hat? Ein Mann wie er?«
»Ja.«
»In diesem Fall hast du vergessen, in welcher Position du dich befindest,
ma petite putain
. Oder sollte ich lieber sagen: meine kleine Mörderin?«
»Ich bin keine Mörderin!«, entgegnete sie.
»Das sagst
du
. Und selbst wenn ich mir sicher wäre, dass du unschuldig bist, halten die Behörden dich nach wie vor für schuldig.«
»Aufgrund
deiner
Zeugenaussage!«
»Schweig! Solltest du mir weiterhin Verdruss bereiten, könnte ich dich immer noch ins Gefängnis bringen. Und jetzt kümmere dich um deine Kleider,
s’il te plaît
.«
Bebend vor Zorn rupfte sie ihre Unterröcke herunter und faltete sie sorgsam über die Lehne der Louis- XV. -Chaiselongue mit blaugoldenem Brokatbezug, die einst Valmonts Familiensitz geziert hatte.
Seit sie nach Paris gekommen waren, hatte er sie nicht mehr so untersucht, und sie dachte, er würde ihr endlich vertrauen. Sie hatte geglaubt, dass er sich irgendwie einredete, sie wäre eine Art unberührbare Madonna, immun gegen alle fleischlichen Bedürfnisse. Unmöglich konnte er wissen, wie weit das von der Wahrheit entfernt war. Was wiederum dieser und der gestrige Abend bewiesen hatten. Vielleicht ahnte er aber doch, dass sie eine Schwäche für Lyon hatte, und kam deshalb überraschend zu dem Entschluss, überprüfen zu müssen, ob sie in demselben Zustand zurückkehrte, wie sie hingegangen war. Gott sei Dank war dem so, denn sie wollte ganz sicher nicht im Gefängnis enden!
Dort auf dem untersten Fach der großen frei stehenden Vitrine lag das Tablett, genau wie sie es aus Burgund in Erinnerung hatte. Sie öffnete die Glastüren und nahm es bei den Henkeln auf, verharrte jedoch, als ihr etwas Befremdliches auffiel. Das Fach über dem untersten hatte einst voller Familienporzellan mit Monogramm gestanden. Nun hingegen entdeckte sie dort eine Sammlung von billigem Krimskrams – eine
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