Die Braut des Shawnee-Kriegers
Vorräte, ein Pferd und ein unbewachter Augenblick, und sie könnte nach Fort Pitt zurück. In ein paar Wochen wäre dieser ganze Albtraum Vergangenheit.
Allein die Narben in ihrem Gesicht würden bleiben, ein böses Andenken, das sie mit ins Grab nehmen würde. Jeder Blick in den Spiegel würde sie an Wolf Heart und den Spießrutenlauf erinnern. Und jedes Mal würde mit den Erinnerungen auch der Zorn in ihr aufsteigen, der jetzt in ihr schwelte.
Als sie Swan Feathers Hütte erreichte, erblickte sie die alte Frau, die sich damit abmühte, eine große frische Rehhaut über einen Rahmen aus zusammengebundenen Holzstangen zu spannen. Schweißtropfen glitzerten auf ihrem faltigen Gesicht, während sie mit dem schweren Fell kämpfte. Clarissa konnte sehen, wie die Rippen an ihrem ausgemergelten Oberkörper vor Anstrengung hervortraten. Ganz offensichtlich war die Arbeit für diese alte, verhutzelte Frau viel zu schwer.
Sie hat schon begonnen, dich zu lieben.
Clarissa wappnete sich gegen den Gestank der frischen Tierhaut und eilte Swan Feather zu Hilfe. Die Alte schaute kaum auf, als sie sich neben sie kniete, eine Ecke ergriff und sie über den Rahmen zerrte.
Die Beschaffenheit der Haut war genauso widerwärtig wie ihr Geruch. Das steife, mattbraune Fell an der Außenseite war blutbefleckt und mit Fliegen übersät. Die Innenseite war so glitschig, dass Clarissa sie kaum festhalten konnte. Sie musste ihre ganze Selbstbeherrschung aufbieten, um das aufsteigende Würgen zu unterdrücken. Aber jetzt war nicht der richtige Zeitpunkt, sich zu ekeln. Swan Feather brauchte ihre Hilfe.
Als die Haut bis aufs Äußerste gespannt war, band Swan Feather sie mit rohen Lederstricken am Rahmen fest. Als dann alle vier Ecken endlich festsaßen, hoben die beiden den Rahmen an und lehnten ihn an die Hüttenwand. Swan Feather verschwand in der Hütte, und Clarissa ließ sich erschöpft gegen den Stamm eines dicken Hickorybaums sinken. Ihr Magen revoltierte ob des fauligen Geruchs. Es ist ja vorbei, beruhigte sie sich selbst. Die grässliche Arbeit war getan. Jetzt konnte sie sich den Schmutz von den Fingern schrubben, die Lunge mit frischer Luft füllen und dann …
Sie stöhnte innerlich auf, und ihr sank das Herz, als sie Swan Feather aus der Hütte kommen sah. Die Alte brachte vier dicke Stangen und noch eine schmierige, stinkende Rehhaut mit.
Wolf Heart hatte nicht die Absicht gehabt, auf dem Heimweg an Swan Feathers Hütte vorbeizugehen. Trotzdem waren seine Füße wie von allein dort hingegangen, und nun stand er in sicherem Abstand, verborgen hinter einem Erlendickicht, und beobachtete die beiden Frauen bei der Arbeit.
Sie beugten sich über die Rehhaut, die er Swan Feather gebracht hatte. Mit einem scharfkantigen Knochenschaber entfernten sie Fleisch, Fett und Blut von der Innenseite. Es war eine Arbeit, die jedes Shawnee-Mädchen schon in frühen Jahren lernte, und Swan Feather, die in ihrem langen Leben schon Hunderte solcher Häute aufbereitet hatte, arbeitete sachkundig und geschickt. Ihren knotigen Händen unterlief kein Fehler.
Dagegen hackte Clarissa auf die Rehhaut los, als wäre sie ein verhasster Feind. Die roten Locken klebten ihr verschwitzt an Stirn und Wangen. Ihre kleinen, wohlgeformten Brüste, die von dem verschlissenen Mieder nur notdürftig bedeckt waren, hüpften und wippten bei jeder Bewegung.
Ob sie wohl wusste, was Swan Feather mit den beiden Rehhäuten vorhatte?
Während er zuschaute, unterbrach Clarissa ihre Arbeit, warf das Haar zurück und wischte sich den Schweiß ab, der ihr in die Augen lief. Dann massierte sie sich das schmerzende Kreuz, wobei sich die Knospen ihrer Brüste deutlich unter dem dünnen Stoff des Mieders abzeichneten. Die unbewusst sinnliche Haltung ließ eine plötzliche Hitze in Wolf Hearts Lenden schießen, und er wandte schuldbewusst den Blick ab. Als er einen Augenblick später wieder hinsah, war sie zum Glück wieder eifrig bei der Arbeit.
Ein versonnener Ausdruck lag auf seinem Gesicht, als er weiterging. Clarissa wirkte verdächtig fügsam. Das passte so gar nicht zu ihr. Er kannte sie inzwischen ganz gut, und so konnte das alles nur eines bedeuten: Sie brütete etwas aus und ganz sicher nichts Gutes!
Er erinnerte sich an ihren dringenden Wunsch, schwimmen zu lernen. Nur ein Narr würde nicht sofort darauf kommen, was dahinter steckte, und was immer Swan Feather auch von ihm denken mochte, ein Dummkopf war er nicht.
Was also hatte Clarissa im Sinn? Hatten die
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