Die Braut des Shawnee-Kriegers
beiden halbwüchsigen Mädchen im Teich ihren Stolz verletzt? Wollte sie es ihnen beweisen? Für die meisten Frauen wäre das Grund genug gewesen. Aber nein, so einfach waren Clarissas Motive sicher nicht. Es gab nur eine schlüssige Erklärung für ihren Wunsch: Sie plante ihre Flucht.
Schwimmen war in der Wildnis eine absolut notwendige Voraussetzung. Das wusste niemand besser als sie, nachdem sie dreimal fast ertrunken war. Sie würde eine eifrige Schülerin sein, zu eifrig vielleicht. Das schlaue kleine Luder würde auch nicht davor zurückschrecken, all seinen Charme spielen zu lassen, um ihm den Kopf zu verdrehen. Wenn Clarissa ihn erst in ihren Bann gebracht hatte, würde sie ihm entwischen.
Nicht dass ihr Vorhaben ihn überraschte. Etwas anderes würde er von ihr gar nicht erwarten. Sie hatte ihn vom ersten Augenblick an bekämpft, und in gewisser Weise tat sie es immer noch.
Auf der Hügelkuppe blieb er stehen und schaute hinab auf den Fluss. Ohio-se-pe, der "wunderschöne Fluss", wie die Shawnee ihn vor langer Zeit benannt hatten. Die Franzosen hatten den Namen übernommen und nannten ihn la belle rivière. Doch Wolf Heart sah nicht den Fluss, sondern Clarissas Bild, das ihm nicht aus dem Kopf ging.
Er dachte an ihr Gesicht, wie er es am Morgen gesehen hatte. Wassertropfen hatten auf den kaum sichtbaren Narben geschimmert, die ihre Schönheit nicht im Mindesten beeinträchtigten, sondern ihr im Gegenteil ein gewisses Format verliehen. Er dachte an ihr energisches Kinn und den entschlossenen Ausdruck in ihren grünen Katzenaugen, als sie ihn aufforderte, ihr das Schwimmen beizubringen.
Ein bitteres Lächeln flog über sein Gesicht, als er sich abwandte und zu seiner eigenen Hütte ging, die am Rand des Dorfs stand. Ja, er würde sein Versprechen halten und Clarissa das Schwimmen lehren.
Und er würde es gut machen.
Vom Spätnachmittag bis zur Abenddämmerung hatte die Rehkeule über der Feuerstelle in Swan Feathers Hütte gebraten. Das Fett hatte blaue Flämmchen hochschießen lassen, wenn es zischend auf die heiße Holzkohle tropfte. Das Wasser lief einem im Mund zusammen bei dem Duft, der sich aus dem Rauchabzug in den Himmel kräuselte, und Freunde, Nachbarn und Vorübergehende einlud, am Festmahl teilzunehmen.
Clarissa hockte draußen im Schatten des Holzstoßes, die Arme fest um die hochgezogenen Knie geschlungen. Ihr Magen knurrte vor Hunger, aber nachdem sie so viele Stunden an den stinkenden Häuten geschuftet hatte, stand ihr der Sinn wirklich nicht nach Rehfleisch.
Sie schloss die Augen – zu müde, um einen klaren Gedanken zu fassen. Ihr Rücken und ihre Schultern schmerzten vom stundenlangen Bücken. Die Finger hatte sie sich an dem rauen Knochenschaber wund gescheuert. Das Schlimmste allerdings war, dass sie von Kopf bis Fuß nach Fleisch roch.
Sie griff eine Hand voll des sandigen Bodens und rieb ihn zwischen den Fingern, um den Geruch zu vertreiben. Vergebens. Händewaschen im Schmutz! Schon der Gedanke ließ sie den Kopf schütteln. Was hätte sie für ein warmes Bad mit duftender Seife und einer Nacht zwischen blütenweißen Leinenlaken gegeben!
Mit einem müden Seufzer schüttelte sie den Sand von den Händen und rieb sie am Rocksaum ab. Es wurde allmählich dunkel. Eine Grille hatte unter dem Holzstoß ihr Abendlied angestimmt, und eine andere im Gebüsch fiel ein. Clarissa schaute auf und entdeckte die goldene Mondsichel, die über den Baumwipfeln schwebte.
"Ich treffe dich an Swan Feathers Hütte, wenn der Mond aufgegangen ist. Halte dich bereit." Die Erinnerung an die volltönende Stimme ließ Clarissas Herz schneller klopfen. Er würde natürlich nicht kommen. Dafür hatte sie mit ihrem Verhalten am Teich selbst gesorgt.
Wenn sie nachgedacht hätte, dann hätte sie vielleicht den Mund gehalten. Aber als er die beiden Indianermädchen begaffte, wie sie ihre geschmeidigen jungen Körper zur Schau stellten, und als er dann auch noch vorschlug, dass sie es ihnen gleichtun sollte …
Clarissa ballte die Hände bei der Erinnerung an seine Dreistigkeit. Nein, sie hatte Recht gehabt. Sie würde keinen Gedanken mehr an diesen unverschämten Burschen verschwenden. Dann würde sie eben bei anderer Gelegenheit schwimmen lernen.
Von ihrem Versteck aus konnte sie sehen, wie Swan Feathers Gäste ihre Hütte betraten und wieder verließen. Sie erkannte Hunts-at-Night, den einäugigen Häuptling, neben der gut aussehenden Frau in mittleren Jahren, die sie in der Mondhütte kennen
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