Die Braut des Shawnee-Kriegers
abstieß. Ihre fast schmerzenden Lungen verrieten ihr, dass sie tief gesunken waren. So tief, dass es eine Ewigkeit zu dauern schien, bis sie endlich … endlich wieder an die Oberfläche kamen. Sie spuckte, hustete und rang gierig nach Luft. Wolf Hearts Arme hielten sie noch immer umfangen. Keuchend ließ sie sich an seine Brust sinken.
"Wie geht es deinem Fußgelenk jetzt?"
Seine spöttische Frage traf sie unvorbereitet. Ihr Kopf ruckte hoch, und sie sah in sein grinsendes Gesicht. "Du …", zischte sie, und ihre Angst verwandelte sich in weiß glühende Wut. "Du unverschämter, impertinenter …"
Er ließ sie los.
Sie japste und schluckte Wasser, als sie wieder unterging. Diesmal verlieh der Zorn ihr neue Kräfte. Sie begann wild mit den Beinen zu strampeln, und das gab ihr Auftrieb, bis sie wieder an der Oberfläche war. Mordlust glomm in ihren Augen.
"Ich hätte dich ertränken sollen!" Mit Händen und Füßen paddelte sie um ihr Leben. "Ich hätte dich runterziehen und unten halten sollen!"
"Das hättest du nie getan." Wassertropfen glitzerten im Mondlicht wie Edelsteine auf seinen schwarzen Augenbrauen. "Du bist eine Kämpfernatur, Clarissa. Dein eigener Selbsterhaltungstrieb wäre zu stark gewesen. Sieh dich doch an. Du schwimmst!"
"Oh!" Sie war so überrascht, dass sie zu paddeln aufhörte. Prompt ging sie wieder unter, doch nun brachten ein paar energische Bewegungen sie wieder nach oben. Das Wasser, das zuerst so eisig kalt gewesen war, erschien ihr jetzt bloß angenehm kühl. " Das ist Schwimmen?" Sie lachte auf. Ihre ganze Wut löste sich in schiere Begeisterung auf. "Das ist ja kinderleicht! Da ist ja überhaupt nichts dran!"
"Nun, da ist mehr dran, als du denkst." Sein Stirnrunzeln konnte sein Vergnügen nicht völlig überdecken. "Du hast gerade die erste Lektion gelernt, aber das ist noch längst nicht alles. Fühlst du dich stark genug, weiterzumachen?"
"Ja." Clarissa brannte vor Eifer. Sie war ganz außer sich vor Freude über ihre neue Fertigkeit.
"Dann lass uns fortfahren. Dazu brauche ich eine Stelle, wo ich stehen kann." Er legte ihr den Arm um die Taille und zog sie in Richtung des Ufers. Als er Boden unter den Füßen spürte, richtete er sich auf. Das dunkle Wasser reichte ihm bis zur Mitte der muskulösen Brust. Von dem daumengroßen, fransenbesetzten Beutel, den er stets um den Hals trug, konnte sie nur das Band sehen. Eines Tages, wenn sie Wolf Heart erst besser kannte, würde sie ihn fragen, was darin war. Doch dann fiel ihr ein, dass diese Gelegenheit wohl nie kommen würde, weil sie sich ja so bald wie möglich auf den Rückweg nach Fort Pitt machen wollte.
"Bist du bereit?" Er nahm ihre Hände und drehte Clarissa so herum, dass sie ihn ansehen konnte.
Sie hielt sich an seinen schwieligen Fingern fest, während sie angestrengt mit den Füßen strampelte. Allmählich wurde sie müde. Ihr Atem kam stoßweise, und sie hatte Seitenstiche. Dennoch zwang sie sich zu einem Lächeln. Wolf Heart sollte nicht merken, dass sie langsam erlahmte.
"Musstest du auch … schwimmen lernen, als du … ein Shawnee wurdest?" fragte sie keuchend.
"Ja und nein. Ich konnte schon vorher ganz gut schwimmen, aber ich musste noch eine Menge dazulernen." Er zögerte einen Augenblick und tauchte dann bis zum Hals ins Wasser. "Bei der nächsten Lektion musst du mir vertrauen."
"Dir vertrauen? Ha!" sprudelte sie hervor und bespritzte sein ausdrucksloses Gesicht mit Wasser. "Du bist wohl der letzte Mensch auf Erden, dem ich vertrauen würde."
Er zuckte zusammen wie unter einem Schlag und wirkte einen Augenblick unschlüssig. Im nächsten Moment kam Clarissa zu Bewusstsein, wie wichtig diese Lehrstunde war, und sie lenkte hastig ein.
"Also gut, aber keine Gemeinheiten", warnte sie. "Versprichst du es?"
"Wozu soll ich es versprechen, wenn du mir doch nicht traust?" entgegnete er.
"Weil ich sonst auf der Stelle diesen Teich verlasse. Also, was ist nun? Versprichst du es?"
"Schon gut, ich verspreche es." Er schob sie von sich fort, weiter hinaus ins Wasser. "Lass jetzt meine Hände los."
Clarissa gehorchte, den Blick fest auf seine Augen gerichtet. Das Wasser war hier schon so tief, dass sie nicht mehr stehen konnte, und trotz ihrer neuen Schwimmkünste fühlte sie sich unsicher.
"Entspann dich." Zu ihrer Sicherheit legte er die Hände um ihre Taille. Die Bewegung brachte sein Gesicht bis auf Handbreite an ihres heran. Ein Wassertropfen, in dem sich der goldene Mond spiegelte, glitzerte auf seiner
Weitere Kostenlose Bücher