Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
ihr Vorarbeiter, kürzlich
gesagt, als sie ihn auf den Schacht ansprachen? Er führe in leicht abschüssiger
Lage nach ungefähr einhundertvierzig Fuß in einen erheblich größeren
Abflusskanal, der wiederum das gesammelte Grubenwasser von dieser und von
vielen anderen Minen, die in ihn münden, in die Abzucht ableite.
Osman überlegte – sprach August seinerzeit
tatsächlich von nur einhundertvierzig Fuß Länge? Dann müsste sein Martyrium
bald beendet sein – Allah hilf, dass es so ist!
Osmans vorantastende Finger stießen auf
eine Felswand. Der Schacht machte einen Knick, daher konnte er vorhin nicht
sein Ende ausmachen. Eine beruhigende Erkenntnis, insbesondere, wenn er sich
den weiteren Verlauf seines Gesprächs mit August ins Gedächtnis rief. Wie nur
brachten es die Bergmänner fertig, hatte Osman seinen Vorarbeiter gefragt, den
großen Kanal nicht zu verfehlen?
Zum einen diente der Lageplan der Minen als
Orientierung, hatte August erwidert. Daher sei es sehr wichtig, dass immer die
genaue Position der einzelnen Gänge eingetragen werde. Einige Fuß vor dem
Durchbruch halfen Klopfzeichen, vom großen Abflussstollen ausgehend, die
Bergmänner zu ihrem Ziel zu führen. Da die Herkunft der Klopfzeichen nur auf
drei bis vier Fuß durch die Felswand einwandfrei zu orten sei, würden laut
August viele Ableitungskanäle kurz vor ihrem Ende einen Knick machen.
Osmans Hand griff ins Leere. Sie waren also
tatsächlich durch.
»Allah sei Dank!«
»Was?«, kam es von hinten. »Habt Ihr etwas
gesagt, Osman?«
»Wir sind durch, Herr! Der große Stollen
müsste genau unter mir liegen, ich steige jetzt runter. Wenn ich nur etwas
sehen könnte, verdammt!«
Dunkler konnte es selbst in einem Grab
nicht sein. Ob der Boden nun einen oder hundert Fuß unter ihm lag – Osman
konnte nichts sehen, nur das Beste hoffen. Kopfüber kroch er aus dem Loch heraus,
drehen war hier unmöglich. Seine Oberschenkel steckten weiterhin im oberen
Kanal, als seine Hände auf den Boden des großen Stollens stießen. Rasch zog er
seine Beine nach und richtete sich vorsichtig auf. Was für ein Unterschied zum
schmalen Verbindungstunnel, hier konnte er sogar stehen, ohne mit dem Kopf
anzuschlagen.
Leonhardt kletterte heraus und brachte mit
seiner Öllampe Licht ins Dunkle. Auch er konnte aufrecht stehen.
»Was für eine herrliche Arbeit!« Der
Prospektor schaute bewundernd den schnurgeraden Gang entlang, der sich ins
Unendliche verlor, da er weiter reichte als das Licht seiner Lampe. Ganz weit
aus der Ferne meinte er, die Abzucht plätschern zu hören.
»Und, habt Ihr im Zubringer etwas Lohnendes
entdeckt?«
»Nein, die Wände waren genauso kahl wie der
Rest von Theodors Mine.«
»Dann lasst uns rasch zurück, bevor die
Feuersetzer kommen!«
»Eile tut nicht Not«, erwiderte Leonhard,
während er die Wände ausleuchtete und die blaugrün schimmernden Verfärbungen
daran begutachtete, »wenn das Horn ertönt, haben wir immer noch genügend Zeit,
die Grube zu verlassen.«
Erst jetzt bemerkte Osman die farbigen
Sprenkel an den Felswänden des großen Abflussgrabens. »Was ist das? Etwas
Wertvolles?«
»Ich denke nein, eher Mineralien und vom
Wasser gelöste Salze, die sich hier am kalten Stein festsetzten, man nennt sie
auch Vitriole. Nichts Kostbares, aber allemal schön anzusehen, nicht wahr?«
»Freilich sehr schön, Herr. Wir sollten
dennoch los.« Osman wurde ungeduldig. Schließlich hatte er vor einiger Zeit
einen Bergmann zu Gesicht bekommen, dem die Gase des Feuersetzens den Garaus
gemacht hatten. Die Augen schienen ihm fast aus den Höhlen gequollen zu sein
und sein Mund war weit aufgerissen auf der vergeblichen Suche nach frischer
Luft. Ein Anblick, den er nie vergessen würde.
»Nun gebt endlich Ruhe! Wenn ich schon
einmal hier bin, will ich mir auch das Wasserhebewerk anschauen!«
Osman war verzweifelt, schließlich mussten
sie denselben Weg wieder zurück, den sie gekommen waren. Durch den engen Gang
zu kriechen, war beunruhigend genug, doch das ganze zudem unter Zeitnot und der
bitteren Gewissheit, dass bald giftige Dämpfe durch den Stollen ziehen würden,
bereitete ihm gehörig Angst.
»Nun kommt schon, Osman, nur mal kurz
schauen, dann geht’s sofort zurück. Ich versprech’s – und es soll Euer Schaden
nicht sein!«
Leonhardt wusste genau, was in Osman
vorging, und er hatte keinerlei Skrupel, dieses Wissen in seinem Sinne
auszunutzen. Umso niederträchtiger, da er bereits wieder davon abgekommen war,
Osman als
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