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Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Die Braut des Silberfinders - historischer Roman

Titel: Die Braut des Silberfinders - historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und
der Knospe schließlich das Korn folgt.«
    Osman starrte Leonhardt ungläubig an. Dass
die Menschen hierzulande teilweise abstruse Vorstellungen von den Abläufen in
der Natur hatten, war ihm inzwischen schon untergekommen, doch der soeben
gehörte Unsinn war an Einfalt wirklich nicht mehr zu überbieten. Und das
Schlimmste: Sein guter, sein einziger Freund schien diesen Humbug tatsächlich
zu glauben. Unfassbar.
    »Ihr kommt aus dem Morgenland. Man sagt,
Eure Wissenschaft sei der unseren in einigen Dingen voraus. Könnt Ihr mir noch
Neues verraten, was den Bergbau betrifft? Ihr scheint ja offenbar bewanderter
als Euer Freund.«
    »Dazu gehört nicht viel«, bekräftigte Osman
Leonhardt in seiner vorschnellen Einschätzung, »doch ich muss Euch leider
enttäuschen. In meiner Heimat gibt es keine Berge und ich habe auch keine
Schriften gelesen, die sich mit dem Abbau von Metallen beschäftigen.«
    »Und dennoch wisst Ihr, dass Euer Freund
einem Aberglauben aufsitzt?«
    Osman zögerte, dieser junge Mann kam wie
gerufen. Vielleicht konnten sie durch ihn dieses Loch auf immer verlassen und
einen deutlich besseren Posten bekleiden. Jetzt hieß es nur, mit klugem
Geschwätz Eindruck zu hinterlassen. Aber das konnte er ja wie kein anderer.
    »Dazu genügt mir allein der gesunde
Menschenverstand! Zum einen haben die Metalle in dem Berg ebenso wie der Berg
selbst das gleiche Alter, so konnten sämtliche Elemente dieselbe Zeit reifen,
ergo müssten sie nach Roberts These alle gleich sein. Auch würde über kurz oder
lang das Blei ausgehen, wenn daraus erst Silber und hieraus wiederum letztlich
Gold wird. Wie Ihr selbst wisst, steht ganz im Gegenteil einer riesigen Menge Blei
nur wenig Silber und ein verschwindend geringer Anteil Gold gegenüber. Und das
nicht nur im Rammelsberg.«
    Bislang wirkte Leonhardt wenig beeindruckt,
doch das schlagkräftigste Argument hatte sich Osman bewusst bis zum Ende
aufgespart.
    »Und drittens«, rekapitulierte er also und
streckte selbstbewusst drei Finger in die Höhe, »ist Blei zwar schwerer als
Silber, aber deutlich leichter als Gold. Wie also sollte ein Metall während
eines angeblich fortlaufenden Reifeprozesses erst leichter und dann wieder schwerer
werden, von der unterschiedlichen Farbgebung ganz zu schweigen?«
    Leonhardts Kiefer klappte herunter. In
seiner Verblüffung machte er einen dermaßen dümmlichen Gesichtsausdruck, dass
sich Osman nur mit Mühe ein Lächeln verkneifen konnte. Es sah gut für ihn aus.
    »Euer Wissen über Metalle ist
beeindruckend, umso mehr, wenn man bedenkt, dass Ihr über keinerlei Kenntnisse
vom Bergbau verfügt«, brachte Leonhardt schließlich doch noch hervor.
    »Zwar weiß ich nichts über den Bergbau,
umso mehr jedoch darüber, was ihr als Alchemie bezeichnet. Dieses Wissen,
vereint mit der Gabe, Rückschlüsse zu ziehen, kann einem die Natur und die Welt
erklären.«
    »Ihr könnt lesen und schreiben?«
    »Selbstverständlich, mein Freund im Übrigen
auch!«, brachte Osman nun auch Robert ins Gespräch.
    »Ach was, das hätte ich nicht gedacht.
Erstaunlich …«, stammelte Leonhardt, der Robert bis eben für einen Gimpel
sondergleichen gehalten hatte.
    »Wir beherrschen beide die lateinische
Sprache und können rechnen«, ergänzte Robert, der sehr wohl erkannt hatte, was
Osman bezweckte.
    »Gut, gut, genug fürs
Erste.« Leonhardt war perplex. Hatte er es gewöhnlich mit einfachen
Bergarbeitern zu tun, denen er geistig weit überlegen war, traf er heute auf
zwei Männer, deren Schulbildung und Gedankenschnelle ihresgleichen suchte.
Besonders von dem klobigen Riesen, der bislang so gut wie nichts gesagt hatte
und die schwere Kiste mit einer Leichtigkeit trug, als wäre sie leer, war er
mehr als verblüfft. Eine schulische Ausbildung wurde nur Bürgerskindern und
Klosterbrüdern zuteil, und wie ein Mönch sah der Große nun wirklich nicht aus.
Was nur hatte ihn und den gescheiten Muselmanen hierher verschlagen und sie zu
einfachen Bergmännern gemacht?
    »Lasst uns noch rasch den Rest des Stollens
anschauen, bevor die Feuersetzer kommen. Danach lade ich Euch beide in den
nächstbesten Gasthof ein, wir haben einiges zu besprechen!«
    In gemütlicher Runde, meinte Leonhard,
werde er rasch mehr über die beiden in Erfahrung bringen. Und wer weiß,
vielleicht könnte ihm ihr Wissen sogar von Nutzen sein.
    »Liebend gern, geschätzter Herr!« Osman
zwinkerte Robert unmerklich zu, der Fisch war ihnen ins Netz gegangen.
     
    Der Tag ging unwiderruflich

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