Die Braut des Silberfinders - historischer Roman
wie vor war kein sich nähernder Lichtschein auszumachen.
Dann ertönte das Horn.
»Himmel Arsch!«
Robert begann unwillkürlich zu zittern, die
Zeit wurde knapp. Er schrie in den Tunnel hinein, aber gegen das laute
Gestampfe der Pumpe war kein Durchdringen möglich.
Plötzlich kehrte Ruhe ein, beinahe
gespenstisch. Er wollte gerade erneut nach ihnen rufen, da hörte er aus weiter
Ferne ein leises Platschen.
»Osman, was ist da los? Wir müssen hier
raus, rasch!«, schrie er sich die Seele aus dem Leib.
Ganz leise wiederum kam zur Antwort ein
Hilferuf. Es war Osman.
Robert erstarrte. Was zum Teufel sollte er
nur tun, wenn er noch nicht einmal in ihre Nähe gelangen konnte? Leonhardt und
Osman waren nur einige hundert Schritte entfernt und dennoch unerreichbar für
ihn.
Oder doch nicht?
Skeptisch schaute er auf das Loch zu seinen
Füßen, zumindest auf einen Versuch sollte er es ankommen lassen.
Vorsichtig zwängte er sich in den
Verbindungsstollen. Seine Schultern stießen links und rechts an die Felswände,
aber er passte gerade eben noch hinein. Rasch krabbelte er wieder heraus,
entledigte sich seines Wamses, griff sich schnell eine Ölfunzel und stieg
erneut, jetzt mit nacktem Oberkörper, in das Loch. Sein Hemd, aus starkem
Leinen gewoben und mit groben Nähten versehen, hätte ihn behindert, nun
allerdings war seine Haut ungeschützt den scharfen Wänden des Stollens
ausgesetzt. Wieder drangen leise Hilferufe zu ihm durch.
»Ich komme, haltet nur noch einen Moment
durch!«
Roberts Zuversicht in
der Stimme entsprach beileibe nicht seiner eigentlichen Gemütslage. Was konnte
nicht alles misslingen? Wenn der Schacht auch nur an einer Stelle etwas knapper
geschlagen wäre, würde er mit Sicherheit hängen bleiben. Außerdem kämen jeden
Moment die Feuersetzer. Sicher, er könnte laut um Hilfe schreien, doch erschien
es ihm eher unwahrscheinlich, dass sie ihn hören würden – bei der Vielzahl an
Gängen konnten sie sonst wo sein. Nicht auszudenken, wenn ihn die Gase
erreichten, während er im Stollen festhing.
Die Wände, eiskalt und
gnadenlos zu seiner bereits arg zerschundenen Haut, schienen einfach kein Ende
zu nehmen, da flackerte wie zuvor bei Osman auch bei ihm kurz das Licht auf,
bevor es endgültig erlosch.
»Himmel …«
Vollkommene Dunkelheit brach über ihn
herein und raubte ihm das letzte bisschen Hoffnung. Doch damit nicht genug –
plötzlich schien es, als habe ihn die Pranke eines Riesen gepackt, er steckte
fest und kam weder vor noch zurück. Sofort fielen ihm wieder die giftigen
Dämpfe der Feuersetzer ein.
Und zum ersten Mal in seinem Leben fühlte
er, wie ihm nackte Panik schier den Atem raubte.
*
»Ich kann nicht schwimmen!«
»Dafür kann ich’s umso besser!«, log Osman
und dachte dabei an seine ersten Schwimmversuche einige Wochen zuvor in einem
Hildesheimer Brunnen. Dort hatte er sich nur mit Ach und Krach und Roberts
tatkräftiger Unterstützung über Wasser halten können. Aber immerhin wusste er
nun, wie es ging.
Zum Glück war es nicht vollständig dunkel.
Offenbar reichte das spärliche Licht der Pechfackeln im über ihnen liegenden
Pumpenraum, um in der Grube zumindest einige handbreit weit sehen zu können.
Beruhigend jedoch war es nicht, was Osman
zu Gesicht bekam.
Die Grube maß ungefähr zwanzig Fuß im
Quadrat und war tiefer mit Wasser gefüllt, als man stehen konnte. In das Wasser
hinein ragten zwei Ketten, an denen die Schöpfeimer befestigt waren. Leider
bewegte sich die Kette nun nicht mehr, sodass sie sich nicht an ihr nach oben
ziehen lassen konnten.
»Hilf…« Der Rest des Schreis ging in einem
Gurgeln unter. Das Wasser schloss sich über Leonhardt.
Wie konnte er nur so grausam sein, haderte
Osman mit sich. Anstatt dem mit dem Tode ringenden Leonhardt beizustehen, hatte
er in aller Seelenruhe die Anlage gemustert, um nach einer Fluchtmöglichkeit
Ausschau zu halten. Rasch eilte er dem Ertrinkenden herbei, zog ihn nach oben
und schwamm einige Züge mit ihm, bis dessen Hände in Reichweite der Eimerkette
waren. Dankbar griff Leonhardt danach und klammerte sich erschöpft daran fest.
»Haltet Euch gut fest, Hilfe naht!«, sprach
ihm Osman wenig überzeugend Mut zu. Seine Lippen bebten, er zitterte am ganzen
Körper, das eiskalte Wasser presste ihm wie ein eng um den Leib geschnürtes Tau
die Luft aus den Lungen.
Sollten sie hier jemals heil wieder
herauskommen, wäre ihm ein Posten an der Seite des Prospektors sicher. Doch wie
sollte das
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