Die Braut des Vagabunden
war nicht sicher, ob er sie willkommen heißen würde – und außerdem schuldete er ihr noch einige Erklärungen.
„Tempest?“, fragte er und rieb behutsam mit dem Daumen über ihren Mund. Sie atmete schneller, und wie von selbst schob sie die Zunge vor, um seinen Finger zu berühren.
Sie sah die Erregung in seinen Augen und fühlte eine ähnliche Glut in sich selbst auflodern. Er strich mit dem Daumen über ihre Unterlippe, und sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn noch einmal zu kosten. Leicht lehnte sie den Kopf gegen die Falten seines Leinenhemdes. Obwohl sie seine Brust nicht berührte, spürte sie die männliche Wärme seines Körpers, nur ein winziges Stück von ihren Fingerspitzen entfernt.
Sie hörte das leise Seufzen, das ihm entfuhr, und spürte es gleichzeitig. Der Laut verwirrte sie und brachte sie wieder zu sich. Ruckartig zog sie ihren Arm weg und trat einen Schritt zurück.
Jack hielt sie fest, indem er eine Hand an ihre Taille legte. Noch immer gab es einigen Abstand zwischen ihnen, aber sie war sich der Intimität ihrer Haltung sehr bewusst.
„Ich dachte, du wärest tot!“, platzte sie heraus.
Er hielt sie fester. „Hast du um mich geweint?“, fragte er.
Sie sah ihn an, und unwillkürlich traten Tränen in ihre Augen, als sie daran dachte, wie verzweifelt sie gewesen war. Sie packte seine Schultern, wollte ihn schütteln, wütend, weil er sie so sehr erschreckt hatte. „Wie konntest du so rücksichtslos sein, so gedankenlos …“
Er zog sie fest an sich und brachte sie mit einem Kuss zum Verstummen. Sie stöhnte und versuchte, ihn wegzuschieben, aber er hielt sie weiter und küsste sie mit einer Heftigkeit, die an Verzweiflung grenzte. Sie fühlte die Spannung in jeder Faser seines Körpers.
Sie umklammerte seine Schultern, hin und her gerissen zwischen Enttäuschung, weil er nicht mit ihr sprach, und dem wachsenden Verlangen, der Leidenschaft nachzugeben, die zwischen ihnen entstand. Sein Mund war unwiderstehlich. Innerhalb von Sekunden hatte er sie so weit gebracht, dass sie an nichts anderes mehr als an ihn denken konnte.
Die Geschehnisse in jener Nacht in Southwark waren hinter einem Schleier der Unwirklichkeit verschwunden. Viele Male hatte sie sich gefragt, ob sie die Leidenschaft, mit der er sie geliebt hatte, vielleicht nur geträumt hatte. Zuerst war ihre Liebe so betörend gewesen. Eine Woge von Gefühlen hatte sie hoch emporgetragen – doch das Ende war weniger zufrieden stellend gewesen, und Jack hatte sie gleich danach verlassen.
Jetzt stellte sie fest, dass ihre Erinnerung an die Lust, die er in ihr wecken konnte, kein Jota übertrieben war. Als er sich von ihr löste, waren sie beide außer Atem, und Temperance musste sich an seinen Schultern festhalten.
„Du hast um mich geweint“, flüsterte er und rieb seine Wange an der ihren.
Temperance glühte vor Verlangen. Es dauerte einen Moment, ehe sie Jacks Worte verstand.
„Ich hätte es nicht tun sollen“, sagte sie. „Man hätte mir gar nicht sagen sollen, dass du tot bist!“
„Es war nicht mein Fehler“, gab er zurück, ließ sie los und trat beiseite. Einen Herzschlag später fiel ihr auf, dass sie noch immer die Arme nach seinen Schultern ausstreckte, und schob die Hände hinter den Rücken.
„Nun, meiner gewiss auch nicht“, erwiderte sie. „Und ich kann dir versichern, dass man mir sagte, du seist tot“, fügte sie hinzu, als ihr einfiel, er könnte glauben, dass sie auch das erfunden hatte. Noch hatte er ihr keine Vorwürfe gemacht, weil sie fälschlicherweise behauptete, seine Gemahlin zu sein, aber früher oder später würde es dazu kommen, das war unvermeidlich.
„Ich weiß“, sagte er, und sie fühlte sich sofort erleichtert.
„Bundles Junge hat missverstanden, was man ihm sagte.“ Jack schob eine Hand in sein Haar. „Ich sagte Bundle, Jack Bow würde in jener Nacht sterben, aber es war ein Scherz …“
„Ein Scherz!“
„Irgendwie schon.“ Jack warf ihr einen raschen Seitenblick zu. Es war keine Entschuldigung, sie sah indes einen Anflug von Bedauern in seinem Blick. „Bundle begriff sofort, was ich meinte. Unglücklicherweise war ihm nicht bewusst, dass Tom mich nur unter diesem Namen kannte. Er dachte, der Junge würde verstehen, was er meinte …“
„Du meinst, ich bin nicht die Einzige, die du mit deinen Spielen betrogen hast …“ Temperance verstummte, als sie einen beunruhigenden Glanz in Jacks Augen sah. In Anbetracht dessen, was sie getan hatte, war
Weitere Kostenlose Bücher