Die Braut des Vagabunden
Gefolge der Prinzessin gehört, als sie ihren neuen Gemahl in sein Heim nach Heidelberg begleitete. Ein Jahr später, mit einundzwanzig, noch ehe er den Titel des Viscount von seinem Vater geerbt hatte, war Swiftbourne ins Parlament gewählt worden, und in dem halben Jahrhundert, das seither vergangen war, hatte er fast immer ein öffentliches Amt bekleidet. Er hatte die Regierungen von James, Charles I. und das parlamentarische Zwischenspiel nicht nur überlebt, sondern war sogar aufgestiegen, bis er jetzt unter Charles II. Minister war. Aus dem Viscount war ein Earl geworden, und dabei hatte er noch beachtlichen Reichtum angehäuft. Wie rücksichtslos musste man sein, um so erfolgreich überleben zu können? Wie viele Menschen hatte Swiftbourne dabei im Stich gelassen – und wusste er, ja, interessierte es ihn überhaupt, was aus ihnen geworden war?
Wieder warf Jack einen Blick auf Swiftbourne und stellte fest, dass dieser ihn aus kühlen, ironisch blickenden Augen beobachtete. Einen Moment lang hielt er dem Blick seines Großvaters stand, bevor er sich abwandte, um Athena eine Frage zu stellen.
Da sowohl Jakob als auch Lord Halross erklärten, ihre Gemahlinnen wären noch müde von der Reise, löste sich die Gesellschaft nach dem Essen auf. Jack vermutete, dass die beiden frisch vermählten Paare eher von dem Wunsch getrieben wurden, allein zu sein, als von Erschöpfung, aber er nahm ihre Entschuldigungen an, ohne etwas dazu zu bemerken. Anders als Athena und Lady Desirée sah Temperance tatsächlich müde aus, und wegen der anstrengenden Tage, die ihnen bevorstanden, wollte er, dass sie so viel wie möglich ruhte.
„Guten Abend“, sagte Lord Swiftbourne.
„Mylord.“ Jack neigte den Kopf.
Swiftbournes Lächeln war so kühl wie Jacks Gruß. „Sollen wir weitergehen?“, fragte er und deutete die Galerie entlang. „Die Jahreszeit lädt kaum zu einem Spaziergang draußen ein.“
„Bitte.“ Jack ging neben seinem Großvater her. Es war spät am Abend. Man hatte bereits die Kerzen entzündet, und die großen Fenster wirkten wie undurchdringliche schwarze Rechtecke.
„Ihr besitzt das seltene Talent, Euch ins Gerede zu bringen“, bemerkte Swiftbourne, nachdem sie ein paar Schritte stumm nebeneinander hergegangen waren.
Jack spannte alle Muskeln an. Er war sich dessen nur zu sehr bewusst. „Die Meinung der Welt interessiert mich nicht“, sagte er. Für ihn war es wichtig, dass die Gesellschaft die Rechtmäßigkeit seiner Heirat akzeptierte, aber das würde er nicht erreichen, indem er Furcht zeigte.
„Vor allem nicht meine“, sagte Swiftbourne. Sie hatten das Ende der Galerie erreicht und machten kehrt.
Beinahe widerwillig bemerkte Jack, dass ihre Schritte gleich lang waren. Er konnte sich nicht daran erinnern, wann er das letzte Mal neben Swiftbourne hergegangen war – oder ob das jemals der Fall gewesen war. „Die Meinung aller“, korrigierte er.
„Ganz London wartet gespannt darauf, Eure Braut kennenzulernen“, sagte Swiftbourne.
„Sie werden weiterhin warten müssen“, sagte Jack. „Wir haben nicht die Absicht, in absehbarer Zeit London zu besuchen.“ Es überraschte ihn nicht, dass die Nachricht von seiner Heirat bereits die Hauptstadt erreicht hatte. Nur einige sehr nahestehende Familienmitglieder hatte er zur Hochzeitszeremonie eingeladen, doch sie alle waren so wichtige Persönlichkeiten, dass allein ihre Abreise nach Sussex schon für Aufsehen sorgte. „Ich werde mein Leben nicht so einrichten, wie die Klatschbasen es wünschen.“
„Natürlich nicht“, erwiderte Swiftbourne. „Es wird Euch vielleicht interessieren zu erfahren, dass Lady Lacy kürzlich nach England zurückgekehrt ist.“
„Vivien?“ Jack verharrte einen Moment, ehe er wieder mit seinem Großvater im Gleichschritt ging. „Ich dachte, sie lebt in Neapel unter Carthavens Protektion.“
„Unglücklicherweise starb er. Vermutlich sucht sie jetzt einen neuen Gönner.“
„Was sie tut, ist bedeutungslos für mich“, sagte Jack knapp. „Ich habe sie seit fast sechs Jahren nicht gesehen. Und es ist keinesfalls meine Absicht, das zu ändern.“
„Das nahm ich auch nicht an“, meinte Swiftbourne kühl.
Jack entspannte sich ein wenig. „Ihr solltet auf der Hut sein. Sie bevorzugt reiche alte Männer.“
„Sie entspricht nicht meinem Geschmack“, meinte Swiftbourne so ungerührt, dass Jack sich plötzlich dabei ertappte, neugierig zu sein, was sein Großvater wohl für ein Privatleben führte. Hatte
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