Die Braut des Vagabunden
Titel erben. Jack hatte ihm das sehr sachlich berichtet, ohne sich allzu lange bei diesem Thema aufzuhalten, weil er nicht wollte, dass Toby wegen der Umstände seiner Geburt verbittert war. Zu jener Zeit schien es Toby nichts auszumachen, aber da war Jack auch noch nicht verheiratet. Jetzt fragte Jack sich verärgert, ob seine Erklärungen Toby für das Dienstbotengerede erst recht empfänglich gemacht hatten.
„Wenn ich dein richtiger Sohn wäre, würde ich der Duke werden. Warum lässt du mich nicht?“
Jack schnürte es das Herz zusammen. Er wusste, Toby würde das Erbrecht nicht verstehen. Schon gar nicht begriff er, dass Jack selbst würde sterben müssen, ehe irgendjemand der nächste Duke of Kilverdale sein würde. Er begriff nur, dass man ihm nicht erlaubte, heranzuwachsen und zu werden wie sein Vater.
„Du bist mein richtiger Sohn“, sagte Jack. „Aber diese Entscheidung liegt nicht bei mir. Erinnerst du dich, dass ich dir sagte, dies sei ein Gesetz in diesem Land? Ich kann es nicht ändern.“
„Du kannst alles, was du willst.“
Jack hörte im Geiste die Worte seiner Mutter: Niemand ist stark und tapfer genug, um das zu können, was dein Vater tut. Jack musste auf die denkbar grausamste Art und Weise erfahren, dass sein Vater keineswegs unbesiegbar war. Zumindest würde Toby dieselbe Lektion auf weniger endgültige Art und Weise lernen.
„Ich kann nicht immer tun, was ich will“, sagte Jack. „Ich muss den Gesetzen von England gehorchen, so wie du den Regeln folgen musst, die Hinchcliff, Dr. Nichols oder ich für dich festlegen. Und wenn die Köchin beschließt, nicht zu kochen, weil ihr nicht der Sinn danach steht, dann werden wir alle hungrig bleiben müssen.“
„Ich verstehe nicht, was das damit zu tun hat, ob ich Duke werden kann“, sagte Toby.
„Das habe ich mir gedacht“, sagte Jack und war froh, dass sein Sohn ein wenig von seiner normalen Aufgewecktheit zurückgewann. „Aber so lautet das Gesetz, und ich kann es nicht ändern, wie gern ich es auch wollte. Nichts kann allerdings etwas daran ändern, dass du mein Sohn bist und ich dich liebe. Ich werde dich niemals fortschicken.“
Bei dieser Erklärung zitterte seine Stimme ein wenig. Nie zuvor hatte er Toby gesagt, dass er ihn liebte, obwohl das der Fall war.
„Ich liebe dich auch, Papa“, flüsterte Toby.
Jack schloss die Augen und gestattete sich, sich ein wenig zu entspannen.
„Ich habe auch Großmama und Hinchcliff lieb, aber dich am allermeisten von allen.“
„Danke.“ Jack brachte ein Lächeln zustande. „Vielleicht sollte das unser Geheimnis bleiben. Sie haben dich auch sehr lieb, und wir wollen doch nicht, dass sie gekränkt sind.“
Toby nickte. Sein Kopf ruhte immer noch auf Jacks Schulter, und endlich bemerkte Jack, wie unbequem die Perücke geworden war. Er nahm sie ab und stopfte sie in seine Tasche.
„Werden Temperances Babys Dukes sein?“, fragte Toby.
„Ihr ältester Sohn wird es“, erwiderte Jack vorsichtig. „Alle anderen nicht.“
„Das ist ungerecht. Ich bin dein ältester Sohn.“
„Ich weiß. Und du wirst immer mein ältester Sohn sein – ganz egal, wo du bist oder was du tust. Es ist egal, wie du genannt wirst – das wird sich nie ändern.“
„Liebst du Temperance mehr als mich?“
„Nein!“ Tobys Frage erschreckte und beunruhigte Jack. Er hatte nicht erwartet, dass irgendjemand, am allerwenigsten sein Sohn, ihn fragen würde, ob er seine Gemahlin liebte. Er bewunderte und respektierte Temperance, er vertraute ihr und begehrte sie, aber …“
„Du hast sie geküsst“, sagte Toby. „Als ihr getanzt habt. Und sie ist ganz rot geworden.“
„Das ist – etwas anderes“, sagte Jack matt. „Das wirst du verstehen, wenn du älter bist.“
„Sie wird ein Baby bekommen. Das sagen die Dienstboten.“
Jack dachte gerade über die Bedeutung von Liebe und Ehe nach, da führte ihn Tobys Bemerkung in die Gegenwart zurück. Er verzog die Lippen zu einem freudlosen Lächeln. So viel zu seinem Versuch, darüber zu bestimmen, wann diese Neuigkeit öffentlich gemacht werden sollte.
„Ja, in ein paar Monaten“, sagte er. „Es wird deine kleine Schwester oder dein kleiner Bruder sein.“
Toby hob den Kopf und sah Jack stirnrunzelnd an. „Meiner?“, fragte er. Offensichtlich war er noch nicht darauf gekommen, dass es eine Verbindung gab zwischen ihm und Temperances Baby. „Es wird genauso zu dir gehören wie ich?“
„Ja“, sagte Jack und drückte Toby beruhigend an
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