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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CLAIRE THORNTON
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erregendes Vergnügen, ihm so nahe zu sein, und noch schöner war es, wenn die Luft so kalt war. Die Wärme seiner Umarmung gab ihr das Gefühl, sicher und beschützt zu sein.
    „Erschien dir London auch so – überfüllt, wie mir die See leer erscheint? Ich meine das nicht unangenehm“, fügte sie hinzu, für den Fall, dass er sie missverstand. „Nur – es ist so weit und offen und – flach.“
    „Es ist nicht immer flach.“
    „Ich weiß. Ich sehe, wie unruhig es ist und wie Furcht einflößend es im Sturm wäre.“ Sie betrachtete die Oberfläche des Meeres und erschauerte wieder.
    Jack zog sie fester an sich. „Stürme können ebenso faszinierend sein wie gefährlich – aber ich muss gestehen, dass ich zum Reisen schönes Wetter bevorzuge. Und die Gewalt des Meeres sollte man immer respektieren. Was deine Frage angeht …“ Er unterbrach sich und rieb seine Wange an ihrer, während sie beide zum Horizont hinüberblickten. Sein Atem wärmte ihre Haut, und Temperances Puls schlug schneller.
    „Oft erschien mir London überfüllt, mit all den Häusern und Menschen, die sich zusammendrängten. Aber das ist mehr ein Zeichen für meinen persönlichen Geschmack als für meine mangelnde Erfahrung mit London“, sagte Jack.
    Einen Moment lang wusste Temperance nicht, wovon er sprach, bis sie begriff, dass er ihre frühere Frage beantwortete.
    „Ich bin immer zwischen Stadt und Land hin und her gereist“, sagte er. „Es ist lange her, seit ich zum ersten Mal eine völlig unbekannte Gegend sah.“
    Temperance seufzte.
    „Bist du müde? Wir müssen zurück.“
    „Nein, ich wünschte, ich hätte so viele verschiedene Dinge gesehen wie du“, sagte sie.
    „Das wirst du.“
    Sie hielten sich am Strand länger auf, als sie es beabsichtigt hatten, dann aßen sie in einem Gasthaus zu Mittag. Der Wirt war entzückt, so viele vornehme Gäste bewirten zu dürfen. Es war schon lange dunkel, als sie nach Kilverdale Hall aufbrachen, aber es war fast Vollmond, und die Diener hielten die Laternen hoch, um ihnen heimzuleuchten.
    Als sie zum Haus ritten, wurde die Vordertür aufgerissen. Hinchcliff lief die Treppen hinunter, gefolgt von Dr. Nichols und mehreren Dienern.
    Bei der plötzlichen Unruhe wich Jacks Pferd zur Seite aus. Temperance schrie leise auf und klammerte sich an seinem Rock fest. Ein Stallknecht ging zum Kopf des Pferdes, und Jack saß ab, indem er das rechte Bein über den Sattelknauf schwang. Sie war froh, dass er sich daran erinnerte, dass sie hinter ihm war, aber es war ihr unangenehm, dass sie so allein so hoch über dem Boden saß. Sie widersprach nicht, weil Hinchcliff es so eilig hatte, die Treppe hinunterzukommen.
    „Was ist los?“, wollte Jack wissen.
    „Ist Toby bei Euch?“ Hinchcliff ließ die Schultern sinken, als er die Antwort selber sah. „Er ist nicht in seiner Kammer. Wir haben nach ihm gesucht.“
    „ Pour l’amour de Dieu! Wer hat ihn zuletzt gesehen? Wo habt Ihr gesucht?“
    Temperance saß vergessen auf ihrem Pferd, während Jack die Fragen hervorstieß. Neben dem Ärger hörte sie die Angst in seiner Stimme, und auch ihr presste die Furcht den Magen zusammen. Sie waren nur ein paar Stunden fort gewesen. Es war undenkbar, dass Toby in seinem eigenen Heim etwas Schreckliches zugestoßen sein konnte. Aber manchmal geschah das Undenkbare.
    „Ich ließ ihn in der Kinderstube zurück, wo er ein Bild malte“, sagte Dr. Nichols. „Das Hausmädchen sollte ihm das Mittagessen bringen. Als ich kurz darauf zurückkam, war er nicht da. Ich dachte, er wäre zu Hinchcliff gegangen …“
    „Ich habe ihn seit heute Morgen nicht gesehen“, sagte der Majordomus. „Wir können ihn im Haus nicht finden. Ich dachte, er wäre vielleicht zu seinem Pony gegangen, in den Stallungen ist er jedoch nicht …“
    „ Diable! Er ist draußen?“
    „Ich – wir wissen es nicht“, sagte Hinchcliff.
    Jack sah sich in der Dunkelheit um, dabei war seine Miene finsterer, als Temperance es jemals bei ihm gesehen hatte.
    Inzwischen waren alle anderen, auch die Frauen, vom Pferd gestiegen, nur Temperance saß noch im Sattel. Die Männer stellten Fragen an Hinchcliff und Dr. Nichols – selbst die Dienstboten waren von der Krise abgelenkt. Unter den gegebenen Umständen schien es nicht richtig zu sein, Aufmerksamkeit für sich zu beanspruchen, aber ihr wurde wieder bewusst, dass es einen Unterschied gab zwischen ihr und den echten Damen in der Gruppe. Eleanor, Lady Desirée und Athena saßen alle sicher im

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