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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Marthaler.
    Der Junge grinste. «He, was fällt dir ein. Nimm deine Pfoten von meinem Wagen!»
    Marthaler versuchte es noch einmal im ruhigen Ton: «Fahr raus», sagte er. «Ich war zuerst hier.»
    «Was kann ich dafür, wenn du nicht in die Gänge kommst, Alter. Du hast den Platz nicht gemietet.»
    Marthaler packte den Jungen am Revers seines Anzugs und zerrte ihn aus dem Wagen. Mit einer Hand hielt er ihn fest, mit der anderen holte er seinen Ausweis aus der Tasche. Gleichzeitig begann er zu brüllen.
    «Weg mit deiner Karre! Sofort! Hast du kapiert? Und dann fährst du umgehend zur Polizeistation in die Schlossstraße und sagst den Kollegen dort, was du getan hast. Und sag ihnen auch gleich, dass du ein Kiffer bist. Denn wenn du es nicht tust, werde ich es tun – deine Autonummer habe ich. Und das wird schlimm für dich, mein Knabe. Das wird sehr schlimm.»
    Der Junge war blass geworden. Marthalers Wutanfall hatte ihn so überrascht, dass er stumm nickte, in seinen Wagen stieg und davonfuhr. Auf dem Bürgersteig waren die Leute stehen geblieben, um den Streit zu beobachten. Marthaler war so in Rage, dass er die Gaffer am liebsten auch noch angebrüllt hätte. Der Daimler stand immer noch mit offener Fahrertürund laufendem Motor auf der Straße. Inzwischen waren drei weitere Autos angekommen, deren Fahrer jetzt einer nach dem anderen zu hupen begannen. Marthaler hob beide Hände, dann setzte er sich hinters Steuer und parkte ein.
    Er stieg aus und lief den Rest zu Fuß. Er sah den Kleintransporter der Spurensicherung am Straßenrand stehen, aber von den Kollegen war niemand zu sehen. Vergeblich suchte er die Klingelschilder nach dem Namen Hasler ab.
    Dann wurde die Tür von innen geöffnet. Zwei der Mitarbeiter von Walter Schilling traten aus dem Haus.
    «Seid ihr schon fertig?», fragte Marthaler.
    Sie schauten den Hauptkommissar an und schüttelten den Kopf. Der ältere der beiden antwortete: «Wir gehen nur einen Happen essen. Wir kommen später nochmal wieder. Walter möchte, dass du dir die Sache erst mal anschaust, bevor wir alles einpacken und abtransportieren. Erster Stock rechts.»
    Schilling erwartete ihn an der Wohnungstür. Marthaler war ungeduldig. «Also, was ist? Was war jetzt so wichtig, dass ich sofort herkommen musste?» Er wollte am Chef der Spurensicherung vorbei in den Wohnungsflur gehen, aber der andere hielt ihn zurück.
    «Nein, bitte», sagte Schilling, «ich möchte, dass du es genau so siehst, wie wir es vorhin vorgefunden haben. Die Wohnungstür war doppelt abgeschlossen. Wir mussten sie aufbrechen. Bevor wir das getan haben, war das Schloss vollkommen unversehrt. Wer auch immer vor uns dort drin gewesen ist, muss einen Schlüssel gehabt haben. Und hat ihn vielleicht immer noch.»
    «Gut», sagte Marthaler, «das habe ich verstanden. Darf ich jetzt   …?»
    «Ja», sagte Schilling, «bedenk aber bitte, dass wir nichts verändert haben. Auch die Beleuchtung ist genau so, wie sie vor einer Stunde war, als wir hier ankamen.»
    Marthaler öffnete die Tür und betrat den düsteren Korridor. Im selben Moment schrak er zurück. Direkt vor ihm stand eine Frau und grinste ihn an. Außer ihrem Gesicht war nichts von ihr zu sehen. Es wurde angeleuchtet von einem schwachen Punktstrahler, der an der Wand angebracht war. Es war ein starres Grinsen, und zwischen den leicht geöffneten Lippen schaute die Zungenspitze hervor.
    «Wahrscheinlich war sie schon tot, als die Aufnahme gemacht wurde», sagte Schilling.
    Erst jetzt erkannte Marthaler, dass es sich um ein Foto handelte. Es war das Gesicht von Gabriele Hasler, das ihn anstarrte. Jemand hatte das Foto an eine Kleiderpuppe geheftet und diese so in den Flur gestellt, dass jeder, der die Wohnung betrat, das Antlitz der Frau sofort sehen musste.
    «Verdammter Mist», sagte Marthaler. «Musste das sein? Meine Nerven sind momentan sowieso nicht die besten. Musstest du mir das antun?»
    Schilling war beleidigt. «Entschuldige mal», sagte er. «Aber sonst legst du allergrößten Wert darauf, jeden Tatort als Erster zu betreten. Und ich dachte, dass es dir in diesem Fall besonders wichtig sein könnte. Wer auch immer das hier arrangiert hat, er hat es vielleicht auch für uns getan.»
    Marthaler war noch benommen von dem Schrecken. Er hatte Mühe, sich zu konzentrieren. Er versuchte über das nachzudenken, was Schilling gesagt hatte.
    «Gut», sagte er, «lass uns weitermachen.»
    Er ging seitlich an der Kleiderpuppe vorbei und vermied es, sie noch

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