Die Braut im Schnee
fragte Tobi.
«Was …? Ja … mach nur. Aber sei bitte leise. Ich muss nachdenken.» Marthaler hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und sein Gesicht in den Händen vergraben. Er versuchte sich klar zu werden, was aus der Erkenntnis, die er gerade gewonnen hatte, zu folgern war. Er hörte, wie Tobi einen Teller aus dem Regal nahm und dann die Kühlschranktür öffnete. Der Junge setzte sich neben ihn an den Tisch.
«Da», sagte er und zeigte auf den großen Briefumschlag, der zuoberst auf dem Poststapel lag. «So ein Stern war es.»
Marthaler hatte nicht hingehört. «Entschuldige, Tobi, ich war mit meinen Gedanken woanders. Was hast du gesagt?»
Tobi hatte den Briefumschlag in die Hand genommen. Es war eine Einladung der Polizeigewerkschaft. Neben dem Absender war das große Emblem der Organisation aufgedruckt. Ein vielzackiger Stern mit den Buchstaben GdP in der Mitte: Gewerkschaft der Polizei. «Genau so ein Stern klebte hinten auf dem Auto des Mannes.»
Marthaler packte den Jungen am Oberarm. «Sag das nochmal! Bist du dir sicher? Es war ein großer, dunkelblauer Wagen, auf dem ein solcher Stern zu sehen war?»
«Ja», sagte Tobi, «ganz sicher. Aber können Sie mich bitte wieder loslassen? Sie tun mir nämlich weh.»
VIERZEHN
Marthaler brüllte fast ins Telefon. «Es ist Toller. Wir müssen Raimund Toller festnehmen. Er fährt einen dunkelblauen VW Sharan. Und auf der Heckklappe befindet sich ein Aufkleber mit dem Stern der Polizeigewerkschaft. Lassen Sie sofort einen Haftbefehl ausstellen.»
Gabriel Eissler brauchte einen Augenblick, bevor er reagierte. «Langsam, Marthaler! Was ist los mit Ihnen? Was wollen Sie mir erzählen?»
Marthaler versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Dann erzählte er Eissler von seiner Theorie.
Der Polizeipräsident schwieg lange, bevor er antwortete.
«Ja», sagte er schließlich, «die Befürchtung, dass es jemand aus unseren Reihen sein könnte, hatte ich auch schon. Ehrlich gesagt wollte ich es nicht wahrhaben.»
«Hören Sie», drängte Marthaler. «Es ist nicht irgendwer aus unseren Reihen. Es ist Toller. Wir müssen ihn umgehend verhaften.»
«Passen Sie auf, Marthaler», sagte Eissler. «Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich habe riesigen Hunger. Es nützt der Kollegin Henschel nichts, wenn wir die Suche nach ihr mit leerem Magen fortsetzen. Sie organisieren uns irgendwas zu essen, und ich werde veranlassen, dass Raimund Toller ins Präsidium kommt. Aber bevor wir ihn offiziell verhaften, möchte ich mit Ihnen reden. Ich möchte in allen Einzelheiten erfahren, wie Sie auf Ihren Verdacht kommen. Noch einen Fehlschlag möchte ich nicht riskieren.»
«Einverstanden», sagte Marthaler. «Ich bestelle mir sofort ein Taxi.»
«Irgendwas, egal!», hatte er gesagt, als der Pizzabäcker ihn nach seinen Wünschen gefragt hatte. Er hatte keinen Hunger, er wollte nur eins: seiner Kollegin Kerstin Henschel helfen.
Mit zwei Pizzen unterm Arm und einer großen Flasche Wasser sprang er wieder ins Taxi und fuhr zu Eissler ins Präsidium.
«Es passt alles», sagte er, als er seinem obersten Chef gegenübersaß. «Fangen wir bei dem Mord an Gabriele Hasler an. Es waren Toller und sein Kollege Steinwachs, die zuerst am Tatort waren. Ihre Spuren sind im ganzen Haus zu finden.»
Der Polizeipräsident wollte etwas erwidern, aber Marthaler kam ihm zuvor. «Ich weiß, das heißt noch nichts, trotzdem war er zuerst dort. Kurze Zeit später eröffnet mir Herrmann, dass Toller ab sofort zum Ermittlungsteam gehört. Ich habe mich gewundert, und ich habe mich dagegen gewehrt, aber ich hatte keine Möglichkeit, es zu verhindern. Ab diesem Zeitpunkt hatte er Zugang zu sämtlichen Informationen, die den Fall betrafen. Er wusste über jeden unserer Schritte Bescheid. Und er hat es von der ersten Minute an ausgenutzt.»
«Was meinen Sie damit?»
«Toller war dabei, als ich Herrmann gegenüber angekündigt habe, dass ich ins Zahnmedizinische Institut fahren werde, um mich auf die Suche nach der Freundin Gabriele Haslers zu machen. Als ich am selben Nachmittag in Stefanie Wolframs Haus anrufe, findet dort ein Mord statt.»
«Aber wenn ich Sie recht verstehe», sagte Eissler, «kannten Sie den Namen Stefanie Wolframs noch gar nicht, als Sie mit Herrmann und Toller gesprochen haben. Woher hätte Toller also wissen sollen, wer diese Freundin ist und wo er sie findet?»
Wütend säbelte Marthaler mit dem Plastikbesteck an seiner Pizza herum.
«Er muss sie gekannt haben. Er muss
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