Die Braut im Schnee
ihr schon früher begegnet sein.»
Zweifelnd wiegte Eissler seinen Kopf hin und her. «Nehmen wir an, er hat sie gekannt. Warum hätte er sie umbringen sollen? Und warum, wenn er sie gekannt hat, bringt er dann die Falsche um?»
«Vielleicht ist es lange her, dass Stefanie Wolfram und Toller sich gesehen haben. Er hat die Tür eingetreten, eine Frau gesehen und sofort geschossen. Er hat nicht lange überlegt. Er war der festen Überzeugung, dass die Frau, die er vor sich hatte, Stefanie Wolfram war.»
«Damit haben wir noch immer kein Motiv.»
«Stefanie Wolfram muss etwas wissen. Sie muss eine Information haben, an die sie selbst sich nicht mehr erinnert. Oder von deren Bedeutung sie nichts weiß. Wahrscheinlich hat sie Toller irgendwann einmal gesehen, als der Gabriele Hasler einen Besuch abgestattet hat.»
«Gut», sagte Eissler, «das lässt sich leicht überprüfen, indem wir der Zeugin ein Foto von Toller vorlegen.»
«Ja», sagte Marthaler, «das werden wir ganz sicher tun. Alles, was ich hier sage, wird zu überprüfen sein. Aber diese Überprüfungen können Tage in Anspruch nehmen. Und so viel Zeit haben wir nicht. So viel Zeit hat Kerstin Henschel nicht.»
«Also weiter!», sagte Eissler, dessen Unruhe nun ebenfalls zu wachsen schien.
«Tobi, der Junge, der den mutmaßlichen Täter in den Schwanheimer Dünen gesehen hat, sprach immer von einem Mann mit einer Sonnenbrille. Angeblich ist ein Polizist vor dem Haus aufgetaucht, in dem der Junge wohnt, und hat an der Tür geklingelt. Auch dieser Polizist trug eine Sonnenbrille, genau wie der Mann, der ihn in Mainz verfolgt hat.»
«Entschuldigung», sagte Eissler, bevor er sich erneut einStück der Capricciosa in den Mund schob, «jetzt verstehe ich gar nichts. Was ist mit Mainz? Was ist mit diesem Tobi? Ich denke, der Junge ist flüchtig?»
Marthaler stocherte auf seinem Pappteller herum und versuchte dem Polizeipräsidenten zu erklären, wie er an die Aussagen des Jungen gekommen war. Er merkte, dass er sein Versprechen gegenüber Tobi nicht halten konnte. «Der Junge hatte Angst. Er saß vor meiner Tür. Er wohnt zurzeit bei mir. Ich habe ihm versprochen, niemandem etwas davon zu erzählen.»
Eissler ließ seine Gabel sinken und sah Marthaler an, als könne er nicht glauben, was er gerade gehört hatte. Aber statt einen Wutanfall zu bekommen, schüttelte der Polizeipräsident den Kopf. «Das habe ich nie gehört und ich will davon nichts wissen», sagte Eissler. «Haben Sie verstanden, Marthaler!»
Marthaler nickte. «Trotzdem brauchen Sie die Informationen, die damit zusammenhängen. Also lassen Sie mich jetzt bitte zu Ende erzählen … Ich hatte Toller gebeten, eine Handyüberwachung zu beantragen, diese aber noch nicht durchzuführen. Offensichtlich hat er sie aber doch durchgeführt. Er hat den Jungen in Mainz aufgespürt. Jemand anderem hätte das nicht gelingen können.»
«Bleibt die Frage nach Tollers Alibis. Was ist mit den Tatzeiten?»
Marthaler nickte. «Ja, diese Frage bleibt, und das alles müssen wir klären. Aber ich bin das alles durchgegangen. Es ist so, wie ich sage. Es passt alles. Toller war nicht im Weißen Haus, als Andrea Lorenz ermordet wurde. Er war nicht da, als der Polizist im Gallus aufgetaucht ist. Er könnte der Mann in Mainz gewesen sein. Und er könnte es ebenfalls gewesen sein, der die Nachricht in das Casanova-Forum gestellt hat.»
Eissler hatte sich gerade den Mund abgewischt, jetzt ließ er die billige Papierserviette auf seinen leeren Pizzakarton fallen: «Sagen Sie, wie hat sich der Typ in diesem Forum genannt?»
«Armadillo», sagte Marthaler.
«Armadillo», sagte Eissler und stutzte. «Heißt das nicht Gürteltier? Was für ein Name für einen Täter, der seine Opfer erdrosselt.»
«Er wusste, wo Kerstin Henschel wohnt, und er wusste, wann sie losfahren würde. Und was ich selbst vor einer Stunde erst erfahren habe: Der Junge hat in den Schwanheimer Dünen einen großen dunkelblauen Wagen gesehen – mit einem Aufkleber der Polizeigewerkschaft auf der Heckklappe. Toller besitzt ein solches Fahrzeug. Er ist es! Es besteht kein Zweifel.»
Eissler nickte. «Ja», sagte er, «es sieht ganz so aus. Ich würde vorschlagen, dass wir ihn uns gemeinsam vorknöpfen. Bevor ich hierher kam, habe ich zwei Kollegen losgeschickt, um ihn abzuholen … Ich hoffe nur …»
Bevor er ausreden konnte, erschien ein Streifenpolizist in der Tür zu Eisslers Vorzimmer und bat ihn um ein kurzes Gespräch unter vier
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