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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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keinem Gedanken hatte er sich vorstellen können, dass dies der Grund für die Anwesenheit des Schutzpolizisten war. Langsam schüttelte er den Kopf. «Nein, Chef, Sie wissen, dass das nicht geht. Sie wissen, dass ich vor Jahren eine interne Ermittlung gegen Herrn Toller angestrengt habe   …»
    «Aus der Toller hervorgegangen ist wie eine unbescholtene Jungfrau.»
    «Das Verfahren wurde eingestellt, weil Aussage gegen Aussage stand», erwiderte Marthaler.
    «Wie auch immer. Sie müssen jedem Menschen zugestehen, dass er in der Lage ist, sich zu ändern. Der Kollege Toller will sich entwickeln. Er hat sich für PIF beworben. Der Polizeipräsident hat bereits unterschrieben.»
    Marthaler seufzte. PIF war die Abkürzung für das polizeiinterne Förderprogramm, mit dem man versuchte, aus den eigenen Reihen Nachwuchs für die Kripo zu rekrutieren. Es war dasselbe Programm, durch das auch Manfred Petersen den Sprung vom Streifegehen zum Mitarbeiter der Mordkommission geschafft hatte.
    Marthaler unternahm einen letzten Versuch, das scheinbar Unvermeidliche abzuwenden: «Wenn Sie so fest entschlossen sind, Raimund Toller zu einer großen Chance zu verhelfen, dann lassen Sie ihn bitte mit den Kollegen vom MK II zusammenarbeiten.»
    Hans-Jürgen Herrmann schüttelte den Kopf. «Sie täuschen sich, Herr Hauptkommissar. Ich habe Sie nicht hergebeten, um über etwas zu diskutieren, das längst entschieden ist. Ich habe Sie beide einbestellt, weil ich möchte, dass Sie sich die Hand reichen. Der Mord in Oberrad wird Raimund Tollers erster Fall. Er ist in diesem Viertel geboren und aufgewachsen. Er ist in Sachsenhausen zur Schule gegangen und arbeitetseit Jahren im 8.   Revier. Er kennt die Gegend wie kaum ein anderer. Und nicht zuletzt war er es, der gemeinsam mit Steinwachs als Erster am Tatort war.»
    «Ja. Und die beiden haben im Haus so viele Spuren hinterlassen, dass die Kollegen der Kriminaltechnik einen vollen Tag länger zu tun hatten.»
    Aber auch darauf hatte der Chef der Mordkommission bereits eine Antwort. «Davon habe ich gehört», sagte er. «Aber machen wir uns doch bewusst, dass wir es hier nicht mit zwei erfahrenen Kriminalisten zu tun haben. Die beiden mussten den Tatort sichern. Sie hatten keine Ahnung, ob sich der Täter möglicherweise noch im Haus befand. Sie haben das getan, was sie in diesem Moment für das einzig Richtige hielten.»
    Marthaler winkte ab. Innerlich hatte er bereits kapituliert. Ihm fiel kein Argument mehr ein, das er dieser Offensive des guten Willens hätte entgegensetzen können. Jetzt ergriff Toller zum ersten Mal das Wort. Der muskulöse Mann wirkte unsicher. Er schaute Marthaler kurz in die Augen, dann senkte er den Blick. Er sah aus wie ein reuiger Kommunikant, der dem Pfarrer mit einem auswendig gelernten Text seine kleinen Sünden beichtet.
    «Ich möchte Sie um eine zweite Chance bitten», sagte Toller. «Glauben Sie mir: Ich habe mich geändert. Ich wünsche mir, dass wir gut zusammenarbeiten.»
    Marthaler sah den anderen an. Fast hätte er über dessen unbeholfene Worte gelacht. Die ausgestreckte Hand nahm er diesmal nicht. Aber er nickte.
    Herrmann schien zufrieden zu sein. «Sehr schön, sehr schön», sagte er. «Was haben Sie jetzt vor? Wie können wir den Kollegen Toller in die Arbeit einbinden?»
    Marthaler überlegte einen Moment. «Er soll sich morgen im Laufe des Tages im Weißen Haus melden. Es gibt eineListe mit Sexualstraftätern. Wir wollen jeden einzelnen überprüfen. Dort wird Hilfe gebraucht.»
    «Na bitte, das nenne ich ein Wort. Und was macht der Herr Hauptkommissar?»
    «Ich fahre ins Zahnmedizinische Institut», sagte Marthaler. «Gabriele Hasler hatte eine Studienfreundin, mit der sie zusammengewohnt hat. Wir müssen mit ihr sprechen. Ich muss ihren Namen und ihre Adresse erfahren. Wir werden den Täter nur finden, wenn wir mehr über die Vergangenheit des Opfers wissen. Wir nehmen an, dass diese Freundin eine wichtige Zeugin sein könnte.»
    «Dann bleibt mir nur noch eine Frage: Wie heißt der Andi mit Nachnamen?», fragte Herrmann und blickte die beiden anderen mit einem gewitzten Lächeln an.
    Marthaler wusste nicht, was der Leiter der Mordkommission meinte.
    «Von wem sprechen Sie? Ich kenne keinen Andi.»
    Herrmann schien Marthalers Ratlosigkeit zu genießen. «Arbeit heißt der Andi mit Nachnamen. An die Arbeit, meine Herren!»
    Marthaler lachte nicht. Er drehte sich um und verließ den Raum.
     
    Wie so häufig, wenn er mit dem Wagen durch die

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