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Die Braut im Schnee

Die Braut im Schnee

Titel: Die Braut im Schnee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Seghers
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Handschriftlich hatte Manfred Petersen seinem Dossier eine Notiz hinzugefügt: «Arbeitet seit einem Jahr bei ‹Fit & Sunny›. Dort versuchen! Sandweg.»
    «Kenn ich», sagte Toller.
    «Was kennen Sie?», fragte Marthaler. «Das Sportstudio oder Daniel Hildesheimer?»
    «Nee, den Typ wohl nicht. Aber das Studio. Dort hab ich eine Zeit lang trainiert.»
    Ja, dachte Marthaler, so siehst du auch aus: wie zu viel Hanteltraining und zu viel Solarium.
    «Dann lasse ich Ihnen diesmal den Vortritt», sagte er, als sie aus dem Daimler stiegen und ein Stück den Sandweg hinunterliefen.
    Toller schaute ihn fragend an.
    Marthaler lächelte. «Keine Angst, Sie sollen nur guten Tag sagen und nach Hildesheimer fragen. Dann übernehme ich wieder.»
    Marthaler öffnete die Tür des Studios. Gleich neben dem Eingang saß eine junge schwarze Frau, die in einer Zeitschrift blätterte. Marthaler sah, dass sie unter ihrer dunklen Haut errötete, als sie Raimund Toller erkannte. Erfreut schien sie über seinen Anblick allerdings nicht zu sein.
    «Hallo, Ray», sagte sie, «lange nicht gesehen!»
    Toller nickte. «Hallo, Angie. Hier soll ein Daniel Hildesheimer arbeiten.»
    «Danny, ja. Und?», fragte die Frau.
    «Wir müssen mit ihm sprechen.»
    «Der ist in Kanada.»
    Toller sah sich Hilfe suchend nach seinem Vorgesetzten um. Er wusste nicht mehr weiter. Er hatte Angst, wieder einen Fehler zu begehen.
    «Sind Sie sicher?», fragte Marthaler.
    Angie lächelte. «Vorgestern hab ich ihn dort jedenfalls noch gesehen. Ich bin gestern Nachmittag erst zurückgekommen.»
    «Sind Sie mit ihm   …?»
    «Ich
war
mit ihm   …»
    «Und seit wann waren Sie gemeinsam in Kanada? Was haben Sie dort gemacht?»
    «Vor zwei Wochen sind wir rüber. Wir haben ein Wohnmobil gemietet und sind rumgefahren. Mich hat’s genervt. Er will noch eine Woche bleiben. Hat er was angestellt?»
    «Das war schon alles», sagte Marthaler, ohne auf ihre Frage einzugehen. «Vielen Dank.»
    Die Frau sah ihn verwundert an. Dann wandte sie sich an Raimund Toller: «Gibt’s deinen Kumpel noch?»
    «Wen meinst du?»
    «Wen mein ich?! Deinen Kumpel oder Kollegen. Den anderen Ray.»
    Toller nickte. Sie meinte seinen Kollegen Steinwachs vom 8.   Revier, der ebenfalls Raimund mit Vornamen hieß.
    «Wie geht’s ihm?»
    «Gut.»
    «Schade», sagte Angie. «Grüß ihn
nicht
von mir, ja!»
     
    «Was war jetzt das?», fragte Marthaler, als sie wieder auf dem Bürgersteig standen und die bunt beklebte Eingangstür von «Fit & Sunny» hinter ihnen ins Schloss gefallen war.
    «Steinwachs hatte mal was mit ihr. Es scheint ihr nicht gefallen zu haben.»
    «Ist er nicht verheiratet?»
    «Ja», antwortete Toller. «Aber seit wann wäre das ein Grund?»
    Ja, dachte Marthaler, seit wann. Und er dachte wieder an Thea Hollmann. Dann schaute er auf die Uhr.
    «Ich fürchte, wir kommen heute nicht mehr durch», sagte er. «Diesen Kinderheimbesitzer können wir morgen Vormittag aufsuchen. Ich schlage vor, wir schauen uns den Fotografen noch an, diesen Helmut Drewitz. Danach machen wir Feierabend.»
    «Gut», sagte Toller. «Dann bin ich auch gleich zu Hause. Drewitz wohnt in Oberrad.»
     
    Sie erreichten nichts mehr. Sie brauchten fast eine halbe Stunde, um vom Sandweg in die Hochhaussiedlung zu kommen, wo Helmut Drewitz wohnte. Der Parkplatz, auf dem sie den Dienstwagen abstellten, glich einem kleinen Autofriedhof. Sie kamen an einem PKW vorbei, der ausgebrannt war, bei einem anderen waren sämtliche Scheiben eingeschlagen, und im Inneren türmte sich der Abfall. Bei zwei anderen Fahrzeugen hatte man die Reifen zerstochen. Die angrenzenden Hecken schienen als Müllhalde zu dienen; überall an den Hauswänden sah man Graffiti.
    «Eine Villa in Kronberg kann er sich jedenfalls nicht mehr leisten», sagte Marthaler.
    Sie standen vor der Haustür und suchten den Namen am Klingelbrett. Sie läuteten lange, aber niemand öffnete ihnen. Als zwei Mädchen mit ihren Kickboards das Haus verließen, schlüpften die Polizisten durch die Tür. Drewitz hatte seine Wohnung im sechsten Stock. Weil der Aufzug kaputt war, mussten sie Treppen steigen. Sie klingelten wieder, dann klopfte Marthaler mehrmals an die Wohnungstür.
    «Verdammte Scheiße, was soll der Lärm? Der Typ ist ja wohl nicht zu Hause.» Erschrocken fuhren Toller und Marthalerherum. Hinter ihnen stand ein Mann im Türrahmen der Nachbarwohnung. Er hatte nur einen kurzen, zerschlissenen Frotteebademantel an, unter dessen Saum man seine behaarten

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