Die Braut sagt leider nein
ganze Familie vor dem Schreibtisch, die ihre Nachbarn verklagen wollen.«
»So was«, sagte ich.
Der Beamte lachte leise. »Heißen Ihre Nachbarn zufällig Horn?«
»Ja«, schrie ich entsetzt. Horn hatte der väterliche Mann geheißen, der mir gesagt hatte, die Bauaufsicht sei nichts für zarte Frauengemüter.
»Tja. Zufälle gibt's.«
»O nein«, stöhnte ich.
»Mit denen ist wirklich nicht gut Kirschen essen. Hoffentlich haben Sie noch Geld für eine hohe Mauer übrig.« Der Beamte war offensichtlich vergnügt. »Wollen Sie mal hören?«
Im Hintergrund vernahm ich die schrille Stimme von vorhin. Die Frau musste in ihren Wagen gesprungen sein, kaum dass sie den Hörer aufgeknallt hatte.
»Rufen Sie dort an«, verlangte sie gerade von dem Kollegen. »Das möchten wir auf der Stelle klären.«
»Wo soll angerufen werden?«, fragte ich meinen Beamten.
»Bei der Kreisbehörde«, informierte er mich bereitwillig.
»Warum?«
Der Beamte lauschte eine Weile. »Anscheinend wissen die dort nichts von Ihrem Sickerschacht.«
»Wie kann das sein?« Schön doof stellen, hatte Alex gesagt.
»Die Untere Wasserbehörde des Kreises muss die Genehmigung für den Schacht erteilen, bevor die Baugenehmigung erteilt wird.«
»Wir haben doch die Baugenehmigung letzte Woche bekommen.«
Erneut eine Pause. »Ja, aber es scheint so, als hätten Sie noch keine endgültige wasserbehördliche Erlaubnis für den Sickerschacht, höre ich gerade.«
»Nein?«, sagte ich ergeben. »Und was bedeutet das?«
»Das ist nicht legal«, erklärte der Beamte. »Und geradedas freut Ihre Nachbarn ungemein. Sie sehen jetzt wieder richtig fröhlich aus.« Er lachte.
»Was soll ich denn jetzt tun?«, fragte ich ihn.
Der Beamte senkte seine Stimme. »Tun Sie, was ich Ihnen sage. Fahren Sie, so schnell Sie können, zum Kreisbauamt, Zimmer zweihundertzwei, Herr Roggen. Beeilen Sie sich aber, sonst sind Ihre Nachbarn vor Ihnen da.«
»Und dann? Was soll ich denn sagen?«
»Beeilen Sie sich, machen Sie schon«, raunte der Beamte. »Ich rufe gleich von hier aus bei Herrn Roggen an und sage, dass Ihnen da ein kleiner Irrtum unterlaufen ist. Aber Sie müssen vor diesen Horns da sein.«
»Zimmer zweihundertzwei, Herr Roggen«, wiederholte ich. »Und wie war Ihr Name?«
»Bond«, sagte der Mann und machte eine kurze Pause. »James Bond. Und jetzt beeilen Sie sich gefälligst.«
Ich schmiss den Hörer auf und zog mich in Windeseile an. Zeit nahm ich mir nur für ein kleines Makeup und einen ordentlich geflochtenen Zopf. Dann grapschte ich nach Lageplänen und Handtasche und sprang in mein Auto. In weniger als siebzehn Minuten hatte ich das Kreisbauamt erreicht, meinen Wagen geparkt, war an der Information vorbei zum Aufzug gerannt und in den zweiten Stock gefahren.
Herr Roggen saß alleine hinter seinem Schreibtisch und schaute mir entgegen.
»Die Dame mit dem Sickerschacht?«, fragte er.
»Komme ich zu spät?«, fragte ich atemlos zurück.
Herr Roggen schüttelte den Kopf. »Nun setzen Sie sich doch erst mal. In Ihrem Zustand sollen Sie sich nicht aufregen.«
Ich gehorchte. Herr Roggen beobachtete mich aufmerksam. »Ist es hier vielleicht etwas stickig? Soll ich das Fenster öffnen?«
»Nein, danke«, sagte ich verwirrt.
»Sie sind sehr tapfer«, sagte Herr Roggen. Er hatte unseren Lageplan vor sich auf dem Schreibtisch liegen. »Ich habe mir das gerade mal angeguckt. Da ist soweit alles in Ordnung. Versickern muss das Wasser schließlich auf jeden Fall, und der eingezeichnete Platz scheint mir dafür bestens geeignet.«
»Und der Keller der Horns?«
Herr Roggen lächelte breit. »Das ist technisch kaum möglich, dass der Keller voll läuft. Und wenn doch, dann müssen die Leute ihren Keller eben besser abdichten. Ich finde es eine Unverschämtheit, eine Frau in Ihrem Zustand so aufzuregen.«
»Und die ähm — fehlende Genehmigung? Wir hatten das wohl etwas verfrüht — ähm —«, stotterte ich und sah prüfend an mir herab. Ich musste doch mitgenommener aussehen, als ich dachte.
Herr Roggen hob einen Stempel und ließ ihn auf unseren Lageplan niederknallen. »Da haben Sie Ihre Genehmigung«, sagte er fröhlich und setzte auch noch seine Unterschrift darunter. »Kann doch mal passieren, bei dem ganzen Stress, dass man mal was übersieht.«
Ich war sprachlos. Da sagt man doch immer, Beamte seien stur, faul, umständlich und lahm und wichen keinen Deut von den Vorschriften ab. Welch gemeine Verleumdung!
Herr Roggen lächelte mich an.
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