Die Braut von Rosecliff
gedeckt, so regungslos, als wäre er schon tot. »Er hat sich an die Brust gegriffen und ist dann zu Boden gestürzt«, berichtete die Frau, die an seinem Krankenlager gewacht hatte. »Von Zeit zu Zeit öffnet er die Augen und versucht zu sprechen, bringt aber kein Wort hervor. So als hätte der Teufel seine Zunge geraubt!«, fügte sie in geheimnisvollem Flüsterton hinzu.
Ohne auf die letzte Bemerkung einzugehen, fragte Josselyn: »Ist es während eines Kampfes mit den Eng ländern passiert?«
»Sie waren unterwegs, um die Felder der Engländer anzuzü n den.« Die Frau senkte wieder ihre Stimme. »Man munkelt, ric h tige Kämpfe hätte er nur mit seinem Sohn ausgefochten – mit diesem Owain.« Sie verzog angewidert das Gesicht.
Das wunderte Josselyn nicht, und es kam für sie auch nicht überraschend, dass Madocs Herz in der Nacht zu schlagen aufhörte.
Sie hatte an seinem Bett gesessen, war aber irgend wann ei n gedöst. Als sie aufwachte, stellte sie fest, dass er nicht mehr atmete. Seine Seele hatte den Kör per verlassen.
Sie war Witwe.
Obwohl es ihr widerstrebte, musste sie Owain über den Tod seines Vaters informieren. Er war erst am späten Abend ins Dorf zurückgekehrt, und sie hatte ihn nicht gesehen, aber ihre Tante hatte berichtet, dass er sich im Haus des Priesters einquartiert hatte. Mit einer Laterne in der Hand ging Josselyn die steinige Straße entlang und sagte dem Wachpo s ten vor der Tür, er solle Owain rufen. Doch statt dessen stieß der Mann sie grob ins Haus und verriegelte die Tür von dra u ßen.
»Na sowas, ein Besuch von meiner lieben Stiefmut ter, und mitten in der Nacht!«
Josselyn wirbelte herum. Owain stand auf der Schwelle des Schlafzimmers. Hinter ihm, auf dem Bett, bewegte sich etwas – eine Frau, die hastig eine Decke über sich zog. Es wunderte Josselyn nicht, dass er Agatha betrog. Trotzdem widerte es sie an.
»Dein Vater ist tot. Ich hielt es für meine Pflicht, dich da r über zu informieren.«
Owain grinste und schlug sich mit der Faust an die Brust – e i ne grässliche Parodie von Trauer. »Mein geliebter Erzeuger ist tot?«
Ein ungeheuerlicher Gedanke schoss ihr plötzlich durch den Kopf: Hatte er irgendetwas mit Madocs Tod zu tun?
»Aber ich vergesse ganz, dass du deinen geliebten Ehemann verloren hast«, fuhr er fort und streckte ihr eine Hand entg e gen. »Komm, Josselyn, lass uns einander trösten.«
»Nein! Sag deinem Posten, dass er sofort die Tür öffnen soll. Auf dich wartet deine Gefährtin.« Sie deu tete in Richtung des Bettes.
Owain grinste wieder. »Wie du willst, Josselyn, aber irgen d wann werden wir uns unterhalten müssen… über dich und über dein Kind.«
»Dafür besteht nicht der geringste Grund«, erwi derte sie kalt, um Fassung bemüht.
Er trat dichter an sie heran. »Ich weiß die Wahrheit. Ich habe sie von Anfang an gewusst.«
Josselyn wich zurück, bis sie mit dem Rücken gegen die Tür prallte. »Du weißt gar nichts!«
»Ich weiß genug. Dieses Kind ist dein schwacher Punkt. Es bedeutet dir alles.«
Im ersten Augenblick war sie erleichtert: er hatte nicht gemeint, dass er wusste, wer Isoldes Vater war. Doch gleich da r auf begriff sie, dass seine Worte eine verhüllte Drohung waren, Isolde etwas anzutun. Ihr Hass wuchs ins Unermessl i che, aber es gelang ihr, ruhig und sogar leicht spöttisch zu sagen: »Ja, du hast mich durchschaut. Du weißt, dass ich mein Kind liebe. Es freut mich, dass du so scharfsinnig bist. Und jetzt öffne bitte die Tür.«
Owain hob eine Faust, und sie zuckte aus Angst vor einem Schlag ins Gesicht zusammen. Er lachte zufrie den und schlug an die Tür, dicht neben ihrem Kopf. »Solltest du dich in deinem leeren Ehebett einsam fühlen, brauchst du es mir nur zu s a gen.«
Josselyn würdigte ihn keiner Antwort und eilte zum Haus ihres Onkels zurück. Warum hatte Owain ihre kleine Tochter indirekt bedroht? Wusste er, dass Isolde nicht Madocs Kind war? Konnte er es irgend wie beweisen? Und wenn ja – was dann?
Isolde würde als Bastard bezeichnet werden. Noch viel schlimmer – als englischer Bastard. Ihre walisischen Landsle u te würden das unschuldige Kind be schimpfen und verhö h nen…
Oder wollte Owain sie mit seiner Drohung nur ge fügig m a chen? Wollte er sie erpressen, nach dem Mot to: entweder du schläfst mit mir, oder deiner Tochter passiert etwas? Er würde nicht davor zurück schrecken, ein Kind zu verletzen – das sah man an Rhys und Rhonwen. Es bereitete ihm Genuss, Men s e
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