Die Braut von Rosecliff
keine Antwort hervor, weder auf Franz ö sisch noch auf Englisch noch auf Walisisch. Dieser Mann hatte etwas an sich, das sie am kl a ren Denken hinder te und in Panik versetzte.
Mit trockenem Mund schüttelte sie heftig den Kopf, wirbelte auf dem Absatz herum und flücht e te zu ih ren Landsleuten, überwältigt von Gefü h len, die sie sich nicht erklären konnte.
Auf dem langen Rückweg, der in beklommenem Schweigen zurückgelegt wurde, hatte sie viel Zeit, über ihr törichtes Ve r halten nachzudenken. Sie hatte ihren Mut gewaltig überschätzt und vergeblich ge hofft, dass die Engländer sich leicht vertre i ben lassen würden, sodass sie Owain nicht zu heiraten brauchte.
Sie hasste Owain. Sie hasste Randulf Fitz Hugh. Im Auge n blick hasste sie sogar Newlin. Welche u n durch sichtige Rolle spielte der Barde? Wem galten seine Sympathien?
Ihre Laune sank auf einen neuen Tiefpunkt, als Dewey neben ihr auftauchte. »Dein Onkel möchte mit dir reden, sobald wir das Dorf erreicht haben. Und ich wäre dir sehr dankbar, wenn du es in Zukunft unter lassen würdest, den Dolmetscher zu spielen. Das ist meine Aufgabe, verstanden, du lästiges Ding?«
Josselyn würdigte ihn keiner Antwort. Sie hasste auch ihn, sie hasste alle Männer! Wie konnte er es wagen, sie als lästiges Ding zu bezeichnen? Um Wales wäre es viel besser bestellt, wenn Frauen das Sagen hätten! Auch um jedes andere Land wäre es dann bes ser bestellt. Keine Kämpfe mehr, keine Schilde und Schlachtrosse mehr. Nur noch Frieden und Wohlstand für alle Menschen…
Männer! Wer brauchte schon Männer?
3
Am nächsten Morgen war Josselyn nicht mehr so nie derg e schlagen. Über Nacht hatte es unerwartet noch einmal g e schneit, die Welt sah frisch und unberührt aus, eingehüllt in die weiße Decke, auf der bisher weder Mensch noch Her irgen d welche Spuren hinter lassen hatten. Und das junge Mä d chen hatte nach der strengen Standpauke, die Onkel Clyde ihr am Abend gehalten hatte, ebe n falls das Gefühl, einen Neuanfang machen zu können. Schließlich hatte sie Besserung gelobt.
Sie ließ sich das herzhafte Frühstück aus heißem Brei und in Milch getunktem Brot schmecken und er bot sich danach, die Brotreste vom Vortag an die Armen zu verteilen. Tante Ness hatte bei kaltem Wet ter immer Gliederschmerzen und war deshalb heil froh, wenn ihre Nichte es ihr a b nahm, das Haus zu verlassen, wenn ein eisiger Wind über die Landschaft fegte. Heute warf sie Josselyn jedoch besorgte Blicke zu.
»Versprichst du mir, ein braves Mädchen zu sein? Wirst du deinem Onkel gehorchen, der in all diesen Jahren wie ein Vater zu dir war?«
Josselyn lächelte sanftmütig. »Ich weiß genau, dass ich euch zu großem Dank verpflichtet bin, Tante Ness, und ich werde nichts Verbotenes tun. Aber ich habe das Bedürfnis, an die frische Luft zu kommen. Gegen Mittag bin ich bestimmt zurück.«
Der Schnee knirschte unter ihren schweren Sti e feln, während sie durch das Dorf stapfte und ihre milden Gaben verteilte. Die Sonne strahlte von einem wol kenlosen Himmel und machte klar, dass der Schnee nicht lange liegen bleiben würde. Der Frühling war nahe…
Das Licht blendete, und Josselyn kniff die Augen zusammen, während ihr Blick glücklich über das schmale Tal schweifte, durch das der Fluss Gyffin sich schlängelte, gesäumt von B ü schen und großen Fich ten.
Wie schön dieses Tal doch war! Zu jeder Jahre s zeit besaß es seine besonderen Reize – ob nun in Weiß ge hüllt oder in sommerlicher Pracht, wenn alles grünte und blühte, ob im Frü h ling, wenn alles zu neuem Leben erwachte, oder im Herbst, wenn das Laub sich verfärbte. Dies war ihr Land, und sie würde es nie mals den Engländern übe r lassen!
Doch was konnte sie tun? Blieb ihr wirklich nichts anderes übrig als Owain ap Madoc zu heiraten? Sie blieb im Schatten einer alten Eibe stehen und ließ die Stille auf sich einwirken. Ihr kam eine gute Idee: die Engländer brauchten Arbeiter – Männer, die ihnen helfen würden, die Burg zu bauen. Und Randulf Fitz Hugh wollte einen Le h rer, der ihm die walisische Sprache beibrachte. Vielleicht benötigte er auch Frau en, die kochen, waschen und stopfen konnten. Ihr Atem ging schne l ler. War es nicht die beste Möglich keit, den Feind von innen auszuhöhlen?
Sie streifte ihre wollene Kapuze ab, holte tief Luft und b e trachtete den Pfad, der nach Rosecliffe führte. Heute war sie wie eine Frau gekleidet. Er würde sie bestimmt nicht mit dem frechen Bu
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