Die Braut von Rosecliff
keit zu durch brechen, aber er wusste genau, dass er sie viel zu sehr begehrte, um sich noch lange beherrschen zu können. Er würde sie bald in Besitz nehmen – oder aber sie würde die Flucht ergre i fen, um seinen Annäherungs versuchen zu en t kommen.
Vorher wollte er so viel Walisisch wie möglich von ihr lernen. Das Allerwichtigste war jedoch, so schnell wie irgend möglich die Mauern seiner Festung zu er richten.
6
In der folgenden Woche aßen die Engländer ausge zeichnet: Wildschweinbraten, Eintopf mit Rehfleisch, gegrillte Fische. Dazu jede Menge köstliches frisches Brot. Zwei andere Frauen halfen Gladys mittlerweile bei der Arbeit, und Josselyn stellte befriedigt fest, dass Rhonwens Mutter sehr tüchtig war und allem An schein nach keinen Alkohol mehr trank.
Die bessere Verpflegung trug erheblich zur Leis tungsfähigkeit der Männer bei. Die Dächer von Küche und Vorratsraum wurden an einem einzigen Tag fer tig gestellt, einer der beiden Brunnen lieferte schon frisches Wasser, und die innere Burgmauer wuchs unaufhaltsam in die Höhe.
Letzteres bereitete den Einwohnern von Carreg Du am meisten Sorgen. Obwohl die Engländer unter sich blieben, nur in den Wäldern jagten und an der Mün dung des Flusses ins Meer fisc h ten, konnten die Wali ser die Gegenwart des Feindes nicht einfach ignorie ren. Jede Klinge – egal ob Dolch oder Lan g schwert wurde scharf gewetzt, alle Helme wurden auf Hoc h glanz poliert, Lederharn i sche gestopft, Lebensmittel gehortet. Niemand wollte unvorbereitet sein, falls es zu Kämpfen ko m men sollte.
Dass diese Woche dennoch ohne Zwischenfälle ver lief, war in erster Linie das Verdienst von Josselyns Onkel, der den Dorfbewohnern eing e schärft hatte, Konfrontationen zu vermeiden, solange sie nicht direkt angegriffen wurden.
Auf dem Weg zum Reliquienschrein des heiligen Aiden, wo die Gottesdienste an Ruhetagen abge halten wurden, gingen Onkel und Nichte Seite an Sei te.
»Hier – mein erster Wochenlohn.« Sie wollte ihm die kleine Silbermünze übergeben, in die das Profil des englischen K ö nigs mit der langen, spitzen Nase eingeprägt war.
Clyde warf einen flüchtigen Blick darauf, nahm das Geldstück aber nicht an sich. »Was soll ich denn da mit?«
»Du kannst es doch bestimmt für irgendetwas ge brauchen, das uns allen helfen wird.«
Er schwieg so lange, dass Josselyn ihn am lieb s ten mit dem Ellbogen angestoßen hätte. »Spar diese Mün zen lieber für deinen Ehemann auf.«
Das war es also… Sie wusste selbst, dass sie eine Entsche i dung treffen musste, und ihr Onkel gab ihr indirekt zu verstehen, welche Entsche i dung er sich von ihr wünschte.
»Was passiert, wenn ich dieser Heirat nicht z u stim me?«
»Wir haben nicht genug Leute, um die Engländer allein zu schlagen.«
»Vielleicht könnten wir Owain und seinen Vater daran erinnern, dass es ihnen nicht gefallen wird, Engländer als Nac h barn zu haben, dass sie sich folg lich selbst einen Gefallen e r weisen, wenn sie uns jetzt beistehen.«
Clyde blieb stehen, zog sie etwas zur Seite und gab Ness und den anderen ein Zeichen, dass sie weiterge hen sollten. Erst als sie allein waren, richtete er wieder das Wort an seine Nichte.
»Owain möchte dich zur Frau – dich, verstehst du? Ich glaube, dass die Lloyds uns letztendlich auch ohne diese Eh e schließung helfen werden. Dafür wird Madoc sorgen, doch Owain wird nicht vergessen, dass sein Antrag abgewiesen wurde. Eines Tages wird er seinem Vater die Macht entreißen, und dann wird er sich für deine Z u rückweisung rächen. Wenn er un sere Ländereien nicht auf legale Weise bekommt, wird er sie gewal t sam an sich reißen.« Clyde schaute Josse lyn tief in die Augen. »Dabei werden viele Männer ums Leben kommen – so wie Tomas. Frauen und Kin der werden die Leidtragenden sein.«
Josselyn mied seinen Blick, so als könnte sie auf diese Weise der schrecklichen Wahrheit auswe i chen. Ob sie Owain heiratete oder nicht – Carreg Du würde seiner Habgier irgendwann a n heim fallen. Doch wenn sie selbst ein Opfer brachte, konnte sie andere Menschenleben retten…
Sie holte tief Luft. »Wann muss ich mich entschei den?« Tr ä nen schimmerten in ihren Augen. »Wie viel Zeit bleibt mir?«
Ihr Onkel stieß einen schweren Seufzer aus. »Schwer zu sagen… Solange ich lebe, kann ich dich beschützen. Doch falls die Engländer einen Konflikt heraufbeschwören…« Er zuckte mit den Schultern. »Außerdem könnte Owain eine andere Frau heiraten,
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