Die Braut von Rosecliff
entscheiden, zwischen Euch und ihren Kindern.«
Der Architekt nickte und wandte sich zum Gehen, mit hä n genden Schultern und gesenktem Kopf. Er hatte Gladys gern, daran bestand kein Zweifel. Aber war seine Zuneigung groß genug, um auf die Frau zu verzichten, weil das für sie das Be s te war? Oder würde er nur an sich selbst denken?
Während sie der einsamen Gestalt nachblickte, die langsam den steilen Hügel erklomm, verspürte sie leichte Gewissen s bisse, redete sich aber trotzig ein, das einzig Richtige getan zu haben, denn für Sir Lovell und Gladys konnte es keine g e meinsame Zukunft geben, hauptsächlich wegen der Kinder. Vielleicht könnte eine Waliserin ohne eigene Familie mit einem Engländer glücklich werden, obwohl Josselyn auch das sehr bezweifelte. Die beiden Völker waren viel zu lange verfei n det…
Auch Owains Familie und deine eigene sind seit la n gem verfeindet, flüsterte eine lästige innere Sti m me. Es war in Wales – wie in ganz Britannien – gang und gäbe, durch Eheschließungen ein friedliches Zusammenle ben zu erreichen. Randulf Fitz Hugh verfolgte im Grunde die gleiche Taktik wie Josselyns Onkel.
»Taran!«, fluchte sie leise und lief zur Meere s bucht hinab, so als könnte sie auf diese Weise ihren düsteren Gedanken entfli e hen. Wenn nur ihr Vater noch am Leben wäre! Howell ap Carreg Du hätte die En g länder in die Flucht geschlagen und gleichzeitig Owains Mörderbande in Schach gehalten, davon war sie über zeugt. Und er hätte ihr g e holfen, einen guten, starken Ehemann zu finden.
»Dein Vater hat diesen Ort geliebt.«
Josselyn zuckte zusammen. »Newlin!« Sie pres s te eine Hand aufs Herz. »Wie kannst du mich so er schrecken? Und woher weißt du, dass ich an meinen Vater gedacht habe?«
Der Barde lächelte. »Er hat dich oft hierher mi t ge nommen. Erinnerst du dich nicht mehr daran?«
Josselyn schaute sich um. »Ich erinnere mich daran, dass wir zusammen auf einem Baum saßen… auf die sem Baum.« Sie deutete auf eine uralte knorrige Eiche. »Er ist mit mir auf dem Rücken bis zum Wipfel geklettert, und er hat mich >kleines Eichhörnchen< genannt…«
»Das ist der höchste Baum weit und breit. Von den obersten Ästen kann man den Horizont sehen.«
»Der Horizont ist immer sichtbar«, rief sie ihm ins Gedäch t nis. »Wo auch immer man steht – irgendein Horizont ist immer zu sehen. Das hast du mir beige bracht.«
Newlin grinste. »So ist es. Die Frage ist nur, ob man ihn sehen will oder lieber die Augen schließt.«
Das ernüchterte Josselyn. Welchen Horizont wollte sie sehen? Welche Zukunft wünschte sie sich? »Ich weiß nicht, was ich tun soll«, gab sie verzweifelt zu. »Ich habe das Gefühl, zw i schen zwei Feinden in der Falle zu sitzen – zwischen den En g ländern einerseits und Owain ap Madoc andererseits.«
Er nickte verständnisvoll und hinkte in Richtung Meer. »Du hast alle Möglichkeiten überdacht, nehme ich an.«
»O ja! Wenn ich Owain heirate, wird es bald zum Kampf mit den Engländern kommen. Wenn ich ihn nicht heirate, werden sie sich hier breit machen, und Owain wird eines Tages aus Rache unser Dorf über fallen. Verdammt, warum sind wir immer gezwun gen, um unser eigenes Land zu käm p fen?«
»Es gäbe noch eine andere Möglichkeit«, sagte Newlin, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Eine andere Möglichkeit? O ja, wir können natü r lich auch ohne Verbündete gegen die Engländer kämpfen – und unte r liegen!«
Der Barde schaute ihr ganz tief in die Augen. »Du könntest dich aber auch mit den Engländern verbün den!«
Das war ein so absurder Vorschlag, dass Josselyn laut au f lachte. »Ein Bündnis mit den Englä n dern? Wir sollen uns ihnen unterwerfen? Unser Land und unse re Unabhängigkeit aufgeben? Nein, das wird niemals geschehen!«
»Du denkst wie ein Mann, Josselyn. Denk lieber einmal wie eine Frau.«
»Was soll das nun wieder heißen?«
Newlin zuckte mit seiner unversehrten Schulter. »Sir Lovell bewundert unsere Gladys.«
»O nein!«, rief sie erbittert. »Du auch? Willst du al len Ernstes, dass walisische Frauen englische Männer heiraten? Auf welcher Seite stehst du eigentlich? Gla dys hat etwas Besseres als einen Engländer verdient. Sie braucht einen walisischen Mann, der ihren walisi schen Kindern ein guter Vater sein und ihr weitere walisische Kinder schenken kann!«
»Gladys muss selbst nach einem Horizont s u chen. Sie muss selbst über ihre Zukunft entsche i den.«
Josselyn war noch nie im Leben
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