Die Braut von Rosecliff
werden – ist das so schwer zu verst e hen?«
Newlin schwieg sehr lange, so als weilte er an einem Ort, der nur ihm zugänglich war. »Die Steine wachsen.«
»Was?«
»Du brauchst dich nur umzuschauen.« Er deut e te auf die Steinmauern des großen Raums.
»Du meinst, dass die alte Prophezeiung sich auf die Bauten bezieht, die er hier errichten lässt?«, fragte Jos selyn mit großen A u gen.
»Wenn Steine wachsen wie sonst nur Bäume…«, zitierte Newlin.
Sie sprang erschrocken auf. »Aber dann müssen wir diese Mauern zerstören, bevor sie weiter wachsen können! Ich muss unbedingt fliehen, Newlin! Wirst du mir helfen? Bitte hilf mir.«
Er tätschelte ihre Hand. »Lausche und lerne, mein Kind«, la u tete sein Rat. »Ich werde mit deinem Onkel reden, sobald er zurückkommt. Dann werden wir sehen… Zerbrich dir nicht den Kopf über Angelegen heiten, auf die du sowieso keinen Ei n fluss hast.«
»Aber ich kann doch nicht tatenlos zusehen, wie unser Land von den Engländern geraubt wird! Ich muss mir den Kopf ze r brechen, wie sich das verhin dern lässt!«
»Lausche und lerne«, wiederholte Newlin. »Und mach dir keine Sorgen.«
Mach dir keine Sorgen.
Josselyn setzte sich auf den Boden, nachdem der Barde g e gangen war, und schlang ihre Arme um die Knie. Seine letzten Worte hallten in ihren Ohren wider. Mach dir keine Sorgen… Er hatte gut reden! Wie sollte sie sich keine Sorgen machen?
Sie hob den Kopf und schaute sich in ihrem Gefäng nis um. Die Wände waren noch nicht getüncht, und es gab vorerst weder Teppiche noch Wandbehänge, aber auch völlig schmucklos war es ein schöner Raum mit hoher Decke und einem guten Kamin. Doch für sie war es trotzdem ein Gefängnis!
Auf der Suche nach irgendeinem Schwachpunkt, der ihr die Flucht ermöglichen würde, fiel ihr Blick auf die Fensterläden. Der Wind rüttelte an ihnen, so als wollte er unbedingt eindri n gen – so wie sie unbe dingt entkommen wollte. Josselyn stand auf und ging auf das Fenster zu.
Die Läden waren von außen verriegelt.
Erbittert trommelte sie mit den Fäusten gegen das dicke Holz. »Mochyn ofnadwyl Widerliches Schwein!«
»Geh lieber schlafen«, knurrte eine tiefe Stimme dicht hinter dem Fenster.
Josselyn sprang wie von der Tarantel gestochen zu rück, und vor ihrem geistigen Auge tauchte das arro gante Gesicht von Randulf Fitz Hugh auf, der dort draußen lauerte. »Cil hafrl«, beschimpfte sie ihn.
»Hmm, lass mich raten, was das heißt. Cil ist ein Hund. Ich nehme an, dass du mich als räudigen Köter oder sowas Ähnl i ches bezeichnet hast. Stimmt’s?«
»Mochynl Ihr seid ein Feigling, eine Schlange! Sarff yl« Sie zitterte vor Wut und hätte ihn mit bloßen Hän den erwürgen m ö gen.
Die Fensterläden knarrten. »Ich begehre dich. Ff dymuno ti.«
Josselyn schnappte nach Luft und wich noch weiter vom Fen s ter zurück, mit rasendem Herzklopfen, ver wirrt, einer Panik nahe. »Nun, ich begehre Euch nicht. Ich hasse Euch. Ihr… Ihr widert mich an!«
»Sollen wir deine Worte auf die Probe stellen?«
Rand rüttelte an den Fensterläden. Verdammt, er begehrte di e ses Luder wirklich! Es machte ihn rasend, hier draußen zu stehen und zu wissen, dass sie allein in seinem Quartier war. Seine Hose spannte schmerz haft, und er nahm einen kräftigen Schluck aus dem Weinschlauch, den er in der Hand hatte.
»Was ist, Josselyn? Hat es dir etwa die Sprache verschlagen? Ich höre ja gar keine Beleidigungen mehr.«
Er konnte sich selbst nicht erklären, warum dieses aufsässige Geschöpf ihn mehr erregte als alle Frauen, die er bei Hofe gekannt hatte. Die kleine DeLisle hätte er gern geheiratet, weil ihr Vater ein einflussreicher Mann war, aber er war nie verrückt nach ihr gewesen, und die Vorstellung, sie entjungfern zu können, hatte ihn nicht besonders gereizt. Bei Josselyn hingegen…
»Nanu, hat man dich aus deinem eigenen Haus ver bannt?«, rief eine fröhliche Stimme hinter ihm.
Rand verwünschte seinen Freund, der ihm unter die Nase rieb, dass er sich wie ein Narr aufführte. Zu allem Übel stand hinter Osborn auch noch ein anderer Mann: Alan. Beide hatten die erfol g reiche Entführung offenbar mit sehr viel Wein gefeiert.
»Ich glaub, sie hat seine Eier fest im Griff, Alan. Was meinst du?«
Alan grinste. Normalerweise verhielt er sich gegen über seinem Lehnsherrn sehr respektvoll, doch der Alkohol hatte ihn en t hemmt. »Sie hat kleine, schmale Hände… aber sie sehen trotzdem kräftig aus.«
»Kräftig genug,
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