Die Braut von Rosecliff
Raum betrat. Sie lag auf Rands Bett, hatte sich aber nicht ausgezogen, und ihre Miene verdüsterte sich, als sie sah, dass Newlin nicht allein kam. Empört sprang sie von dem hohen Bett hinunter. »Wollt Ihr mir gar keine Privatsphäre gewähren? Darf ich nicht einmal unge stört mit einem Freund reden?«
»Du kannst froh sein, dass ich dir überhaupt e r lau be, mit ihm zu reden. Du bist meine Gefangene, nicht mein Gast!«
Ihre Augen schleuderten Blitze, und Rand zweifel te nicht daran, dass sie jetzt auch einen Dolch nach ihm geschleudert hätte. Zu ihrem großen Leidwesen musste sie sich damit begnügen, ihn mit Blicken zu ermorden.
Er schenkte ihr ein freundliches Lächeln, ließ sich in seinen b e quemen Stuhl fallen und machte eine einla dende Geste. »Bitte, unterhalte dich mit deinem Besu cher – aber nur auf Englisch oder Französisch, sonst werde ich Newlin leider bitten müssen zu g e hen. Los, redet! Es ist schon ziemlich spät, und ich bin müde. Es war ein langer, anstrengender Tag.«
Josselyn kehrte ihm wütend den Rücken zu, atm e te tief durch und fragte Newlin: »Weiß mein Onkel, wo ich bin?«
Der Barde schlurfte langsam im Raum herum, strich mit der Hand über die groben Steinmauern, schnupperte neugierig an der Holztür und am Fen sterrahmen. »Das ist englische Eiche«, stellte er fest. »Hast du sie mitgebracht?«
Rand hatte sich längst daran gewöhnt, dass Newlin alle Me n schen duzte. »Wenn ich schon in diesem fel sigen Land bauen muss, will ich wenigstens bestes Holz zur Verfügung haben.«
»Wenn Ihr hier bauen müsst?«, warf Josselyn höh nisch ein. »Ihr wollt doch hier bauen, auf unserem Land!«
Es war ihm einfach entschlüpft, dass er nicht aus freiem Willen nach Wales gekommen war, doch jetzt beschloss er, dass es nichts schaden konnte, ihr die Wahrheit zu sagen – vielleicht wurde sie dadurch sogar milder gestimmt. »König Heinrich hat mich hergeschickt. Sobald ich die Burg gebaut habe, die er verlangt, und sobald zwischen meinem und deinem Volk Frieden herrscht, werde ich nach London zu rückkehren.«
»Ihr habt also nicht die Absicht, für immer auf Rosecliffe zu bleiben?«
»Nein.« Das stimmte, aber Rand war klar, dass Jos selyn völlig falsche Schlüsse aus seiner Antwort zie hen würde. Sie begriff noch nicht, dass er persönlich zwar das Land verlassen würde, dass die Engländer aber hier in Nordwales bleiben würden. Irgendwann würde Rand sich von seinem Bruder ablösen lassen. Wenn die Festungsmauern erst einmal standen, müss te s o gar Jasper fähig sein, in diesen Hügeln für Frieden zu sorgen.
Ihm kam plötzlich eine neue Idee – auf den ersten Blick eine glänzende Idee: er könnte Jasper mit Josse lyn verheiraten!
Eine solche Eheschließung würde wesentlich dazu beitragen, den Frieden zwischen Engländern und Walisern zu sichern, und die beiden würden b e stimmt Gefallen aneinander finden. Jasper war, was Frauen anging, nicht gerade wählerisch – zwe i fellos wollte er auf diese Weise all die Jahre wettmachen, in d e nen er als künftiger Mann der Kirche enthaltsam gelebt hat te. Und Josselyn würde den potenten Burschen be stimmt vergö t tern.
Ja, es wäre ein sehr kluger Schachzug, und er hätte schon viel früher darauf kommen sollen. Das einzige Problem bestand da r in, dass er Josselyn keinem ande ren Mann gönnte, nicht einmal seinem Bruder. Wieder einmal grollte er dem König, der ihn in diese uner trägliche Situation gebracht hatte.
Und er grollte Josselyn, Jasper, sich selbst und diesem Ba r den, der offenbar durch nichts einz u schüch tern war. »Nun, wollt ihr noch etwas besprechen?«, fragte er Newlin in barschem Ton. »Wie du sehen kannst, ist Clydes Nichte unve r sehrt. Ihr wird auch in Zukunft nichts geschehen, solange sie tut, was man ihr sagt.«
»Solange ich tue, was Ihr mir sagt, soll das wohl heißen!«, schnaubte sie empört und wandte sich Hilfe suchend an Newlin. »Er hält mich in seinem privaten Quartier gefangen! Wie sollte ich mich hier sicher füh len? Mein Onkel wird sich niemals damit abfinden! Er wird…«
»Dein Onkel wird sich damit abfinden müssen«, fiel Rand ihr ins Wort. »Newlin, sag mir – hat Clyde seine Nichte vielleicht noch gar nicht vermisst? Warum habe ich noch nichts von ihm gehört – oder bist du in seinem Auftrag hier?«
»Ich hätte gar keine Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen, denn er ist noch nicht ins Dorf zurückge kehrt.«
»Nicht zurückgekehrt?«, rief Josselyn entsetzt
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