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Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
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versuchte zu helfen; aber das Treppenhaus war zu schmal, um nebeneinanderzugehen. So wechselten sie einander ab, bis die Stufen überwunden waren.
    Der Raum, in den die Gräfin sie führte, war dem sehr ähnlich, den Alejandro in de Chauliacs Palais bewohnt hatte; er hatte schräge Decken, mehr Ecken, als die Gesetze der Geometrie möglich erscheinen ließen, und ein kleines Fenster. Die Möblierung bestand nur aus einem schmalen Bett, einem Tisch und einem einfachen Stuhl. Das allgegenwärtige Kreuz mit dem leidenden Heiland hing an einer Wand, vermutlich der kostbarste Besitz der Dienerin. Er legte Kate auf das Strohbett und fing an, ihr die Kleider auszuziehen.
    » Ich schicke meine Frauen mit dem Notwendigen «, sagte Elizabeth leise, und mit einem letzten traurigen Blick in seine Augen zog sie sich zurück.
    Die versprochenen Helferinnen erschienen kurz darauf mit Leintüchern, Windeln und Wasser. Eine kräftige femme trug einen hölzernen Gebärstuhl herein, den sie selbst die Treppe hochgehievt hatte; aber ein Blick auf Kate verriet ihr, daß der Stuhl nicht mehr nötig war. Sie stellte ihn beiseite und zwängte sich zwischen Alejandro und de Chauliac durch.
     
    S ie sprach mit einem Akzent, an dem man sie als Irin erkannte, eine Eingeborene der Heimat Elizabeths. » Ihre Hoheit sagt, daß die Herrschaften Ärzte sind! «
    Als de Chauliac protestierte und behauptete, kompetent zu sein, stellte sie die Frage: » Hat einer von Euch zwischen ihre Beine geschaut? «
    Verblüfftes Schweigen. Dann sprachen beide rasch von Anstand.
    Die Irin schüttelte bei den gestammelten Erklärungen angewidert den Kopf. » Einfaltspinsel! Ihr müßt hinschauen, damit Ihr wißt, was zu tun ist. « Und als Kate bei der nächsten Wehe stöhnte, beugte die Frau sich vor und streichelte ihren Bauch. Sie murmelte dem keuchenden Mädchen beruhigende Worte zu. Dann wandte sie sich wieder an die beiden Herren Ärzte, denen der Mund offenstand.
    » So bleibt und seht zu, wenn Ihr wollt – vielleicht lernt Ihr etwas Nützliches! «
    Sie zogen sich wie nutzlose Drohnen in eine Ecke des Raumes zurück, während die Frauen das Bett umschwirrten wie ein Bienenschwarm, die irische Königin in ihrer Mitte. Die kräftige Rothaarige verfügte fast über magische Kräfte, denn mit kaum mehr als wohlplazierten, streichelnden Bewegungen ihrer Hände kam das Kind nach und nach ans Tageslicht.
    Sanft drängte sie Kate der Erlösung entgegen. » So ist es recht, junge Frau «, lobte die Irin, » und nun preßt nach unten, als wolltet Ihr den Nachttopf füllen. «
    » Aber ich werde das Bett beschmutzen «, stöhnte Kate.
    » Nein, das werdet Ihr nicht «, lautete die Antwort, » auch wenn es Euch so vorkommt. Gegen dieses Gefühl ist nichts zu machen. Es bedeutet, daß das Kind nahe ist und auf seinem Weg an Eurem Darm vorbeikommt. Und wenn Ihr das Bett beschmutzt, so tut das auch nichts zur Sache. Es gehört eben dazu. Die Gräfin kann sich leicht ein neues leisten. «
    Dergestalt getröstet, machte sich Kate entschlossener an den Gebärvorgang. Sie drückte und schrie, strengte sich an und stöhnte, und endlich erschien mit einem weiteren Blutschwall ein Köpfchen.
    » So, nun tut dasselbe noch einmal und fördert unseren Stolz! «
    Mit einem Keuchen, das aus der Mitte ihrer Seele zu kommen schien, preßte Kate so heftig, wie sie konnte. Endlich war das Kind frei und lag auf dem Stroh zwischen ihren Beinen. Die Irin griff in Kate hinein, zog die dampfende Nachgeburt heraus, beugte sich vor und biß mit ihren Zähnen die Nabelschnur durch. Sie wickelte das Organ in ein Tuch und reichte es einer ihrer Helferinnen.
    » Kocht das, bis es braun ist «, befahl sie, » und bringt es dann zurück, solange es noch heiß ist. «
    Sie hielt das Kind an den Füßen hoch und schlug ihm kräftig auf die Hinterbacken. Es begann zu schreien.
    Die Frau wischte den Säugling ab, wickelte ihn in Windeln und legte ihn Kate in die Arme. » Einen feinen Sohn habt Ihr, und hell. Er zeigt die gleichen Farben wie Ihr! «
    Alejandro trat näher und starrte in sprachloser Ehrfurcht auf das Kind, das er hinfort Enkel nennen würde. Obwohl erst Augenblicke alt, war das Baby Guillaume Karle wie aus dem Gesicht geschnitten. Doch die Irin hatte recht; es würde den Teint seines Plantagenet-Großvaters und seiner halben Plantagenet-Mutter haben. Und selbst in den mageren Armen Kates sah der Säugling vollkommen und gesund aus, ein Wunder der Natur, hervorgebracht von Gottes Wunsch,

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