Die brennende Gasse
Demut.
» Père « , hörte Alejandro.
Er erwachte in dem Sessel neben dem Bett des Jungen, und Kate stand bei ihm.
» Mein Bauch möchte sich heben. «
Fast sofort war er hellwach. Er stand auf und ließ sie seinen Platz im Sessel einnehmen. » Ist dein Fruchtwasser abgeflossen? «
» Es … ist mir seltsam zumute «, sagte sie zitternd, während sie sich zurücklehnte. » Ich habe geschlafen, am Kamin, aber meine Röcke sind naß, also muß es wohl so sein. « Dann krümmte sie sich nach vorn und umfaßte ihren Bauch. » O weh «, stöhnte sie. » Wieder hebt es sich … ich spüre es tief in den Eingeweiden. «
Er hatte keine Ahnung, was er tun sollte; also ging er in die entfernte Ecke und weckte de Chauliac.
» Das Kind! « Er rüttelte den Franzosen wach.
» Kommt es? «
» Wahrscheinlich. «
Der Franzose stand auf und raffte rasch seine Gewänder um sich , um gehen zu können. Ohne seine eigene Gefährdung zu beachten, schritt er zu dem Bett, wo Kate noch immer im Sessel saß.
» Beschreibt Euren Schmerz, Madame « , befahl er.
» Er beginnt ganz unten in meinen Eingeweiden und breitet sich in meinem Bauch aus, bis ich das Gefühl habe, mein ganzes Innere will heraustreten «, beschrieb sie ihren Zustand. Hilflos sah sie zu Alejandro auf und sagte: » Das muß der Schmerz der Hölle sein, Père, da bin ich sicher. «
Alejandro eilte herbei, um sie zu trösten. » Diesen Schmerz wirst du nie kennenlernen «, sagte er verbissen.
» Wir bringen sie in mein Haus. Schnell, bevor es nicht mehr möglich sein wird, sie zu transportieren. «
Alejandro drehte sich um und sah nach dem Kind auf dem Bett. Dann schaute er wieder de Chauliac an. » Aber der Junge … «
» Ihr könnt hier bei ihm bleiben. Das Mädchen nehme ich mit. Sie kann nicht hier gebären – in diesem Raum ist die Pest, und ein Neugeborenes darf ihr nicht ausgesetzt werden. «
» Nein «, rief Kate, als sie den Vorschlag hörte, » ich bitte Euch, Père, verlaßt mich nicht … ich habe keine Schwester oder Mutter, die mir helfen könnte – nur Euch! «
Alejandro warf de Chauliac einen wild entschlossenen Blick zu.
» Ich verlasse dich nicht. «
Beide drehten sich bei dem langen, verzweifelten Stöhnen aus Kates Mund nach ihr um. Entsetzt sahen sie, wie sie plötzlich aufstand und ihren Rock hob. Ein langer Streifen Blut lief an ihrem Bein herunter, durchnäßte ihren Strumpf und sickerte in den oberen Rand ihres Stiefels. Alejandro sah das Messer, das sie immer dort aufbewahrte, dasselbe Messer, das sie dem Baron de Coucy an den Leib gedrückt hatte, als er versuchte, sie zu entführen. Es wirkte so klein, und doch hatte sie damit ihre Freiheit erkämpft.
Jetzt strömte das Blut des Lebens aus ihr heraus, und Alejandro spürte, wie sein eigener Magen sich bei dem erschreckenden Anblick umstülpte.
» Mon dieu « , flüsterte de Chauliac. » Dann wird das Kind hier auf die Welt kommen müssen. « Er rannte zur Glocke, zerrte daran und stürzte zur Tür, um ungeduldig auf den Diener zu warten.
» Bitte ruft die Gräfin «, befahl er, als der Mann erschien. » Es ist eine Angelegenheit von großer Dringlichkeit. «
» Der Prinz …? «
» Ruft sie endlich! «
Ein paar Augenblicke später erschien Gräfin Elizabeth in Person. Sie blieb auf dem Gang und erkundigte sich verstört: » Was ist mit meinem Sohn? «
» Preist Gott und den Spanier, er wird leben! «
Die Gräfin bekreuzigte sich affektiert. Gebete murmelnd faltete sie die Hände und schaute himmelwärts.
» Aber Ihr habt auch diesem Mädchen zu danken «, fuhr de Chauliac fort. » Sie hat ihm beigestanden und ihn gesäubert. Wenn sie nicht gewesen wäre, hätte er noch mehr gelitten. Und jetzt braucht sie einen sauberen Ort, um ihr eigenes Kind zu gebären. «
» Soll sie es hier bekommen «, wehrte Elizabeth ab. » Sie ist doch von Ärzten umgeben, nicht wahr? «
» Gräfin, das Kind darf nicht in einem Pestzimmer geboren werden … ich selbst sollte auch nicht hier sein, aber aus Loyalität zu Euch empfand ich es als meine Pflicht. «
» Das hätte sie sich überlegen sollen, ehe sie den Raum betrat. Und jetzt sollte sie dankbar sein, daß ich sie unter meinem Dach dulde. « Sie drehte sich um und wollte schon davonlaufen, als Alejandro an die Tür kam. Er trug ihren Sohn auf dem Arm.
»Gräfin, bitte«, rief er ihr nach.
Schweren Schrittes entfernte sie sich weite r.
» Elizabeth! «
Beim Klang ihres Namens sanken ihre Schultern ein wenig herab. Sie
Weitere Kostenlose Bücher