Die brennende Gasse
Erkenntnis, daß er nie erfahren würde, auf welchen komplizierten Wegen das Buch in seine eigenen Hände gelangt war, seufzte er. Er wußte nur, daß es die Goldkrone, die Kate dafür geopfert hatte, mehr als wert war. Ach, Abraham, sinnierte er, möge Gott dir Frieden gewähren, denn du hast ein Werk hinterlassen, das die fürstlichste Belohnung verdient. Und es wurde von einem Christenmädchen aus seinem Versteck befreit, das irgendwie die Weisheit besaß, es als das zu erkennen, was es war. Dies, das wußte er, wäre eine Überraschung für den alten, längst verstorbenen Priester, wenn er von seinem Sitz an der Seite der Propheten auf die Erde niederschaute.
Doch die Offenbarungen dieses Leviten waren nicht nur liebevoll; denn nach der Einleitung mit einem feierlichen Gruß hatte Abraham eine Reihe strenger Warnungen vor dem Mißbrauch seiner Weisheiten geäußert. Maranatha! hatte er geschrieben, ein Wort, das Alejandro nicht übersetzen konnte, wenn er auch von seinem Klang sehr beeindruckt war. Es war auf der Seite verschiedentlich zwischen die strengen Warnungen eingestreut; trotz allen Bemühens konnte er seine Bedeutung jedoch auch aus dem Zusammenhang nicht enträtseln.
Weh dem, der einen Blick auf diese Seiten wirft und kein Opferer oder Schriftgelehrter ist. Maranatha!
Das machte ihm Sorgen. Gewiß konnte er sich gegenwärtig als Schriftgelehrten bezeichnen, aber was genau war ein Opferer? Durfte er weitermachen, ohne es zu wissen? Welches Weh würde dieser alte Text über ihn bringen?
Doch welches Weh ist denn nicht schon über mich gekommen, daß ich noch weiteres zu fürchten hätte? fiel ihm dann ein.
Seine Augen begannen zu schmerzen, und er rieb sie einen Moment, um die Anspannung zu lockern. Er dachte an Kate und wie sie ihm seinen eigenen Rat zurückerstattet hatte – gib darauf acht, dir nicht durch zuviel Lesen die Augen zu verderben! Mit den Fingern strich er sich seine Mähne aus dem Gesicht. Dabei löste sich ein einzelnes Haar und fiel herunter. Es rutschte genau in den schmalen Spalt zwischen den Papyrusseiten. Eine Weile lang mühte er sich, es herauszuziehen, aber seine Finger waren zu dick.
Es führte zu nichts, schließlich ließ er es einfach stecken. Er versenkte den Band vorsichtig in seine Tasche und machte sich nac h e inem letzten Blick aus dem Fenster auf, um jemanden zu finden, der ihm vielleicht das geheimnisvolle Wort übersetzen konnte. Obwohl er eigentlich alle Priester für Scharlatane und Parasiten hielt, nahm er an, daß ihm wahrscheinlich einer von ihnen würde helfen können. Sie kennen die Namen all ihrer Feinde, erinnerte er sich. Sicher war jemandem auch dieses Wort vertraut. Er konnte fragen, ohne allzuviel Aufmerksamkeit zu erregen, wenn er es diskret anstellte. Am besten gab er sich als Gelehrter aus – Ach, das ist eine Idee! Vielleicht gibt es ja einen Gelehrten, den ich fragen könnte! An der Universität, die nicht weit entfernt war, herrschte daran kein Mangel … Sicher konnte er dort Erkundigungen einziehen, ohne zu sehr aufzufallen. Vielleicht finde ich sogar jemanden, mit dem ich disputieren kann …
Kate würde früher oder später kommen, das wußte er in seinem Herzen; aber weder seine Sorge noch sein Wille konnten den Zeitpunkt ihrer Ankunft beeinflussen. Er würde nicht lange fort sein, vermutlich nur für wenige Stunden, und sie würde warten, wenn sie zum Treffpunkt kam und ihn nicht vorfand. Natürlich brauchte er nicht ununterbrochen nach ihr Ausschau zu halten. Nur seine große Sehnsucht nach einem Wiedersehen hatte ihn dazu getrieben.
KAPITEL 8
D er Ausdruck auf Caroline Rosows Gesicht, als sie sich in der Computerbar umsah, war eine seltsame Mischung aus Neugier und Verachtung. » Damit hatte ich nicht gerechnet. « Sie schüttelte sich.
Janie beugte sich vor und fragte: » Womit hast du denn gerechnet? «
» Ich weiß es nicht genau. Aber nicht mit dem hier. Das ist – traurig. «
» Unter anderem «, meinte Janie. Dann fügte sie leise hinzu: » Ich bin froh, daß du gekommen bist. Auf einmal befürchtete ich schon, du hättest es dir anders überlegt. «
» Gar nicht so weit hergeholt! Michael war in einer merkwürdigen Verfassung, als er nach Hause kam, und ich überlegte, ob er wohl den ganzen Abend zu Hause bliebe. Wenn er noch einmal ausginge, würde er den Taschencomputer vermissen. «
Janie runzelte die Stirn. » Ist denn heute bei ihm in der Arbeit etwas los gewesen? «
» Nicht speziell seinetwegen. Aber es ist
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