Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die brennende Gasse

Die brennende Gasse

Titel: Die brennende Gasse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
gewiß nie daran denken, einer Dame den Kopf abzuschlagen? «
    » Warum nicht? Soll er nur auf ihrem Hals bleiben, weil sie von königlicher Geburt ist? Soll ihr die Behandlung erspart bleiben, die die Untertanen ihres Gatten erleiden, oft aus den nichtigsten Gründen? Wenn man für sie nicht tausend Pflüge erhielte, wäre es dann nicht vernünftig, sich von ihr zu trennen? «
    Die junge Frau, deren Kopfpreis sicher ebenfalls in tausend und mehr Pflügen bestand, faßte sich unbehaglich an den Hals und sagte: » Euch erscheint das vielleicht ein fairer Tausch. Aber ich kann Euch versichern, die Dame würde alle Felder Frankreichs mit eigenen Händen bestellen, um sich zu retten. «
    Karle kicherte. » Der Anblick wäre es vielleicht wert, ihr Leben zu verschonen. Jetzt, da sie unter Navarras Schutz steht, ist mir diese Entscheidung aus der Hand genommen. Für den Augenblick. Wir werden sehen, ob sich noch mal eine Gelegenheit bietet! «
     
    A lejandros einzige wirkliche Ablenkung von seiner zunehmenden Sorge war die Arbeit an dem kostbaren Buch, das Kate für ihn gekauft hatte; doch selbst das verschaffte ihm keine wirkliche Ruhepause. In der einen Minute fesselten ihn die Seiten, die neue Erkenntnisse verhießen, in der nächsten wurde sein Blick wieder von der geschäftigen Straße unten angezogen – die Hoffnung auf ein Wiedersehen preßte sein Herz zusammen. Im Licht seines einzigen Fensters saß er über den alten Folianten gebeugt, aber immer häufiger blickte er stirnrunzelnd auf die Straße hinaus. Seine Augen eilten ängstlich von einer jungen Frau zur anderen, immer getrieben von der Zuversicht, das nächste Mädchen, das er sah, werde die sein, die er erwartete.
    Allmählich ermüdete ihn die permanente Enttäuschung, all diese Fremden zu erblicken und niemals diejenige, nach der er sich sehnte. Dennoch schritt seine Arbeit an dem Text fast von allein voran, und tatsächlich wurde sie zu seiner einzigen Freude. Zeile für Zeile entlockte er den Symbolen ihre Bedeutung, und der Sinn, den sie ergaben, brannte sich seinem Gedächtnis ein. Doch auch das vermehrte seine Sorgen: Welchen Nutzen würde die so befreite und auswendig gelernte Weisheit den nach Gottes Willen in Gallien zerstreuten Juden bringen, wenn die Dinge, die sie wissen mußten, i n s einem Kopf verschlossen blieben? Und was wäre … dachte er mit einem Schauder, was wäre, wenn ich sterben sollte, bevor ich diese Worte der Weisheit weitergeben kann? Nachdem sie einmal entziffert waren, sollten sie bewahrt bleiben. Daran bestand kein Zweifel.
    Er hatte Federkiel und einen Tintenstein gekauft; aber es gab nichts, worauf er seine Übersetzung schreiben konnte, als die Buchseiten selbst.
    Ein Sakrileg! ermahnte ihn sein Gewissen. Etwas so Schönes mit deinem eigenen Gekritzel zu besudeln! Es gehört den unglücklichen Juden, denen es zugedacht war.
    Dann rief seine Vernunft empört: Bin ich denn nicht einer von ihnen?
    Endlich triumphierte seine Einsicht. Ohne meine Bemühungen ginge es ihnen für alle Zeiten verloren.
    So, dachte er und gestattete sich einen kurzen Augenblick der Erheiterung, dieser Widerstreit ist geklärt, glücklicherweise zu meinen Gunsten. Und während die Sonne sich ihrem Höchststand am Himmel näherte, wurde ihm klar, daß er an diesem Tag noch kein Wort gesprochen hatte.
    » O Herr «, betete er laut, » bitte, gewähre mir wenigstens jemanden, mit dem ich Argumente austauschen kann, damit mir die Schande erspart bleibt, ein einsamer Narr zu werden. «
    Mit gewissenhafter Sorgfalt begann er, die Übersetzung auf die jeweils gegenüberliegenden Seiten zu schreiben. Das Hebräisch war archaisch, ein Stil, den ein ungebildeter Jude nicht würde lesen können. Er entschied, daß Französisch am besten wäre; denn Französisch würde sicher immer die wichtigste Sprache der Welt bleiben, und es würde immer einen Juden geben, der es verstand.
    Wie war der Apotheker an diesen Schatz gelangt? Sicher hatte er ihn nicht von Abraham selbst, das Buch ließ auf ein ehrwürdiges Alter schließen. Alejandro hegte keinen Zweifel , daß der scharfsinnige Autor längst dahingeschieden war und friedlich im Schatten seiner Ahnen ruhte. Hatte der unglückliche Mann, der es für eine Goldkrone an Kate verkaufte, es aus irgendeinem verkohlten Ranzen gestohlen, oder war es ihm selbst verhökert worden – vielleicht für eine Handvoll Kleingeld, von irgendeiner verzweifelten Witwe, die ihre Kinder ernähren mußte?
    Bei der betrüblichen

Weitere Kostenlose Bücher