Die brennende Gasse
hatte » Père! « gerufen, und der Klang des Wortes drang in sein Innerstes. Hastig hatte er sich umgedreht und gesehen, wie ein glücklicher père von irgendwo mit Dingen nach Hause kam, die seine Kleine brauchte und unter denen ein liebendes Herz und überströmende Zuneigung nicht das einzige waren. Er hatte das lachende Kind in die Arme genommen und das rosige Gesichtchen mit väterlichen Küssen bedeckt, während Alejandro zusah und schmerzhaften Neid empfand.
Er weiß nicht, wie schnell das vergeht, wie bald sie eine Frau sein und ihn nicht mehr brauchen wird.
Abwechselnd suchte er unterschiedliche Geschäfte auf, verweilte nie lange an einem Ort und blieb nie länger als einige Minuten an derselben Stelle. Aber immer hielt er die Augen offen, wo er auch war: Denn in dieser Straße, in dieser Ansammlung kleiner Läden und Märkte, hier inmitten der letzten paar Juden von Paris würde Kate nach ihm Ausschau halten.
Noch war er nicht besorgt, daß ihr Eintreffen sich verzögerte; denn er selbst hatte den Vorteil gehabt, reiten zu können, während sie zu Fuß ging. Oder könnten sie es irgendwie zustande gebracht haben, sich Pferde zu beschaffen? Waren sie noch zu zweit? Zu spät und mit einem schrecklichen Gefühl von Ohnmacht fragte sich der Arzt, ob der Franzose wirklich so vertrauenswürdig war, wie er ihn eingeschätzt hatte – oder ob er das Gold, das ihrem Unterhalt dienen sollte, nehmen und sie im Stich lassen würde? Kate hatte etwas eigenes Gold in einer anderen geheimen Tasche ihres Rocks, die zugenäht war, damit die Münzen nicht versehentlich herausfielen. Er hatte sie gelehrt, immer etwas bei sich zu haben, was sie leicht gegen das Überlebensnotwendige eintauschen konnte. Eine Goldmünze würde ihr die Reise durch halb Europa ermöglichen, wenn sie sie richtig anlegte, und er hatte ihr beigebracht, bescheiden zu sein. Sie würde bestimmt eine gute Ehefrau, dachte er voller Stolz, obwohl er in ihrer Jugend so viel mit ihr hatte herumziehen müssen. Wenn die Zeit kam, sie zu verheiraten, übernähme sie die Angelegenheiten ihres Gatten und ihres Haushalts mit Umsicht und erzöge ihre Kinder mit Liebe!
Gebe Gott, daß die Welt einmal wieder zur Vernunft kommt und ihr so einfache Freuden zuteil werden.
Irgendwann fand er sich vor den Käselaiben wieder und hört e d ie alte Frau in dem grauen Kleid energischer, als er ihr zugetraut hätte, nach seinem Begehr zu fragen. Er zeigte auf seine genügsame Wahl unter all den Versuchungen und bezahlte den Preis in kleinen Münzen. Nachdem er der Frau mit einem Lächeln gedankt hatte, überquerte er rasch die Straße und ging zur boulangerie, wo er eine lange, goldene, noch warme Stange Brot kaufte. Vom Verlassen seines Zimmers bis zur Rückkehr mit den Nahrungsmitteln sprach er kein Wort. Erneut setzte er sich ans Fenster und hielt Ausschau.
K ate war auf dem Ritt still und wortkarg, bis sie am nächsten Bach rasteten. » Was diese Frau erzählt hat – es beschämt mich zu wissen, daß solche Dinge passieren! Einem Menschen sein Hab und Gut zu stehlen ist ehrlos genug «, sagte sie, während das Wasser durch ihr Seidentuch lief, » aber ihm auch noch das Werkzeug für den Lebensunterhalt zu rauben, ist etwas ganz anderes. Das ist mit Sicherheit ein Verbrechen. «
» Sie haben diesen Landsleuten alles genommen «, knurrte er.
» Jacques Bonhomme, der brave Mann! Die größte Sünde dieser Unglücklichen ist ihre niedrige Geburt. «
» Wir sind alle in Sünde geboren «, sagte sie. » Aber Armut ist keine Sünde – es wird erst eine, wenn man nichts tut, sein Los zu verbessern. «
» Die Herren Frankreichs haben ihren Untertanen das unmöglich gemacht. «
» Wenn ich so behandelt würde, würde ich mich auch erheben «, grollte Kate, » oder ich könnte meinem Schöpfer nicht ins Angesicht sehen. Ich begreife nicht, wieso Er Eure Sache nicht hat siegen lassen. « Verwirrt schüttelte sie den Kopf. » Diese Niederlage Eurer Streitkräfte muß Teil irgendeines Plans sein, eines größeren Entwurfs, denn im Auge Gottes ist Eure Sache bestimmt gerecht. Wir können nicht immer wissen, warum Er sich so verhält, wie Er es tut. «
Ihre Bemerkung schien Guillaume Karle zu erzürnen. » Es war nicht das Werk Gottes, sondern Pech, reines Pech! Wären diese Ritter nicht gekommen, dann hätten wir jetzt vielleicht die Gattin des Thronerben in unserer Hand und könnten über ihr kostbares Haupt verhandeln. «
Kate sah ihn streng an. » Ihr würdet doch
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