Die brennende Gasse
schaukelte in der kühlen Nachtluft vor und zurück. Burning Road, dachte sie bei sich, beinahe ung läubig, Brennende Straße …
… und oft fanden die Leichen keine Ruhe in der Erde, denn es gab nicht genug Platz und auch keine Totengräber; und die, die zum Einsammeln an den Straßenrand gelegt worden waren, mußten an Ort und Stelle verbrannt werden … an manchen Tagen sah es wirklich so aus, als brennten die Straßen selbst.
» Ich weiß, was du dabei empfunden hast «, sagte sie zu ihrem längst verstorbenen Kollegen, dem Pestarzt, der diese Zeilen mit seiner sorgfältigen Schrift geschrieben hatte. Auch damals gab es brennende Straßen. Überall, wohin ich mich wende, scheine ich eine weitere zu finden.
Neben ihr auf der Schaukel lag eine Zeitung. Ein kurzer Artikel auf der zweiten Seite berichtete von drei kleinen Ausbrüchen des medikamentenres i stenten Staphylococcus aureus mexicalis. Janie schauderte, als sie von diesen neuen Fällen von MR Sam las.
M itten in der Nacht erwachte Janie aus einem Alptraum, in dem sie sich ihren Weg zwischen brennenden Scheiterhaufen gebahnt hatte, und ihr erster Gedanke war Erleichterung, dem Traum entkommen zu sein. Doch das änderte sich, als sie erkannte, daß das, was sie aus der einen Hölle befreit hatte, die Tür zu einer anderen öffnete – einer näheren, viel realeren Hölle. Es war das Geräusch von Glasscherben, die auf den Küchenboden fielen. Eisiger Schreck durchfuhr sie, und instinktiv streckte sie die Hand nach dem Lichtschalter aus. Aber die Tür zur Diele war offen, nur deswegen war das Geräusch laut genug gewesen, um sie aufzuwecken.
Sie würden das Licht sehen, wurde ihr klar. Zähneklappernd setzte sie sich im Bett auf, zog die Decke bis zum Kinn hoch und starrte für einen angstvollen Moment in die Dunkelheit. Mit jeder Zelle ihres Körpers wünschte sie sich, es läge jemand neben ihr, den sie wecken könnte.
Weitere Geräusche, unklaren Ursprungs, aber dennoch erschreckend, kamen aus der Nähe der Küche, die auf der von der Straße abgewandten Rückseite des Hauses lag und auf den Wald hinausging. Zitternd nahm Janie das Telefon vom Nachttisch und wählte 911, doch gleich darauf merkte sie, daß sie kein Freizeichen hörte.
Wo ist mein Handy? In der Küche, zum Aufladen auf der Ladestation, weil sie vergessen hatte, es draußen im Hellen liegenzulassen, und die Batterie vollkommen leer war. Es befand sich in einer Ecke der Arbeitsplatte, wo man es noch sah, weil Janie die Ladestation so häßlich fand. Jetzt war es also nicht nur außer Sicht, sondern auch unerreichbar.
Ganz leise erhob Janie sich aus dem Bett und ging auf Zehenspitzen so geräuschlos wie möglich über den Teppichboden. Sie schlich ins Badezi m mer, schloß die Tür und sprach im stillen ein Dankgebet an den Gott der Türangeln, weil diese nicht gequietscht hatten. Das dünne Nachthemd, das sie trug, schien in der kühlen Nachtluft völlig unzulänglich, und so legte sie sich ein Badetuch um die zitternden Schultern.
Bebend wartete sie, während sie nur durch eine hölzerne Tür von dem unbekannten Eindringling getrennt war. Sie drückte ein Ohr an die Wand zwischen Bad und Flur und lauschte. Sie hörte das unverkennbare Geräusch, mit dem Behältnisse durchwühlt wurden. Erst als sie volle fünfzehn Minuten lang nichts mehr wahrnahm, wagte sie sich hinaus.
A ls sie ihr Handy erreicht hatte, versuchte sie, Carolines Namen auszuspr e chen; aber ihre Stimme zitterte so, daß das Gerät sie nicht erkannte. Also mußte sie die Nummer in ihrem Adreßbüchlein nachschlagen und von Hand wählen. Dann gab sie Toms Nummer ein.
Erst jetzt schaltete sie das Küchenlicht an und sah das Durcheinander. Schubladen waren entleert, Stühle umgekippt, ihr Schreibtisch durchwühlt – und da, wo sie ihren Taschencomputer abgelegt hatte, ehe sie schlafen ging, gähnte ein Vakuum. Sie hatten ihn mitgenommen.
Aber warum in aller Welt? Die sind doch jetzt so billig …
Und dann wurde es ihr klar – er enthielt Informationen, Informationen, die sie sich auf nicht ganz legale Weise beschafft hatte. Einen Moment lang geriet sie in Panik, aber es fiel ihr ein, daß man sie mit dieser Informationsb e schaffung nur durch eine Genehmigung in Verbindung bringen konnte, die einen Teil ihrer Aktivitäten legalisierte. Zudem hatte sie alle Daten auf eine Diskette kopiert, um sie mit ins Büro zu nehmen. Diese Diskette war in ihre r H andtasche, die sie aus Gewohnheit an den Haken auf der
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