Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Telefonverhalten vom Papa ist es nämlich so: Unter normalen Umständen ruft er nie jemanden an. Never. Warum auch? Ums Geschäft kümmert er sich ja nicht, deshalb will auch nie einer was von ihm. Und die, von denen er was wollen könnte, die kommen eh ständig ins Wirtshaus: die Fußballer, die Schafkopfer und der Dr. Anselm, sein alter Spezl aus der Schule. Aber sobald ich mal länger als drei Tage weg bin, wird er total anhänglich. Als ich in Pforzheim war, zum Beispiel, da hat er jeden Samstag angerufen. Jeden. Ist nicht übertrieben.
» Na, Papa, was gibt’s?«, frage ich ihn freundlich.
» Ach, du, also. Eigentlich nix Besonders. I wollt bloß amoi hören«, sagt er, dann schweigt er.
» Nix besonders«, wiederhole ich.
Genau so war er während meiner Ausbildung auch. Ganz exakt genau so. Hat angerufen und dann komisch rumgedruckst, sodass ich mir anfangs nie ganz sicher war, warum er eigentlich zum Hörer gegriffen hatte. Weil er mich vermisst, hätte man denken können, aber wer den Papa ein bisschen besser kennt, muss etwas anderes vermuten. Nämlich, dass er einen zwar durchaus vermisst, aber halt nicht einfach nur so aus Zuneigung, sondern vor allem, weil er es so sehr hasst, im Wirtshaus auszuhelfen. Das ist nicht bloß eine These. Während meiner Ausbildung hat er sich so arg angestellt, dass das Omilein letztendlich jemanden engagiert hat, die Babsi nämlich. Kaum war die da, waren die Anrufe vorbei. Aber noch mal jemanden anheuern will die Omi diesmal nicht. Der Bua soll si ned so anstellen, sagt sie.
» Nix Besonderes?«, frage ich.
» Naa, also …«
Er verstummt. Ich sehe ihn geradezu vor mir, wie er in der leeren Gastwirtschaft am Tresen steht und nicht so recht herausrücken will mit der Sprache.
» Is ois in Ordnung bei euch? Wie geht’s der Omi?«, frage ich.
» Du, im Prinzip …«
» Im Prinzip was?«
» Im Prinzip geht’s schon …«
» Geht’s wie?«
Himmel, muss man dem Mann denn alles aus der Nase ziehen?
» Doch, doch.«
Er räuspert sich.
Ich schweige.
Er schweigt.
Das Spiel kann ich gut: warten, wer als Erster spricht. Mit dem masochistischen Grafikdesigner hab ich das in der Trennungsphase ausgiebigst gespielt.
» Du, Fanny«, sagt der Papa schließlich.
» Ja?«, sage ich mit Engelsstimme, weil ich spüre, dass er jetzt gleich endlich mit der Sprache rausrückt.
» Du, Fanny, wann kommst’n du endlich wieder hoam?«
Da, da ist es.
Ich seufze tief und mache eine Pause.
» Ach, Papa«, sage ich. » I bin doch grad erst weggegangen.«
» Na ja, grad erst …«, sagt er.
» Oiso, Papa, des dapackst jetzt scho no a bisserl«, sage ich mit lieber Stimme wie zu einem Kind.
» Ja, freilich«, sagt er und klingt ganz geknickt. » Es is ja nur …«
» Geh, Papa …«, sage ich.
Der Papa seufzt schwer, dann sagt er mit einem so dermaßen schicksalsergebenen Unterton in der Stimme » ja, ja«, dass ich auf der Stelle die Geduld verliere.
» Na, dann«, sage ich. » Du, Papa. I muss jetzt los, gell? I meld mi wieder. Grüße an alle, gell!«
» Ja, Fanny. Servus.«
Wir legen auf, und mir bleibt gar nichts anderes übrig, als leise den Kopf zu schütteln. Ein bisschen ärgere ich mich natürlich auch über ihn, weil er nur angerufen hat um zu jammern und nicht einmal höflichkeitshalber nachgefragt hat, wie es mir so geht. Aber dann denke ich, dass Väter doch irgendwie auch immer wie Kinder sind, und wie ich das so denke, merke ich, wie der kleine Ärger verfliegt.
Außerdem habe ich gleich ein Date. Beziehungsweise nicht gleich sondern jetzt, wie mir ein Blick auf mein Handy verrät.
Ich schraube die Wimperntusche wieder auf und schminke mich schnell weiter.
Als ich damit fertig bin, sehe ich noch einmal auf die Uhr. Inzwischen ist es Viertel nach zwölf. Ich will mich gerade darüber sorgen, dass der Tino möglicherweise allen Ernstes sauer wegen gestern Abend ist, da klingelt es an der Tür.
Zum Glück.
Ich atme auf und gehe zur Gegensprechanlage.
» Komme runter!«, rufe ich in den Hörer, was selbstverständlich gelogen ist. Weil: Ich komme nicht, ich fliege!
Wenig später stehen wir vor den Minghartinger Stuben. Der Tino hat vorgeschlagen, die Bilder dort zu machen, wegen der Atmosphäre und der Authentizität, denn natürlich ist das ja irgendwie mein Ort, oder nicht? Das Lokal ist um diese Zeit noch geschlossen, aber selbstredend hab ich einen Schlüssel. Wir nehmen den Kücheneingang und begegnen prompt dem Schorschi, der bereits die
Weitere Kostenlose Bücher