Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
trifft mich fast der Schlag. Das gibt’s ja nicht!
» Fanny!«
» Max! Mensch, des gibt’s ja ned!«
Er ist es tatsächlich, mein alter, bester Freund aus der Nachbarschaft. Max Rubenbacher. Der Wurstkönig. Er strahlt mich an, dann fällt er mir in die Arme, ungefähr so stürmisch, als hätte es gerade einen Tsunami gegeben und ich sei sein einziges Kind.
» Fanny«, sagt er noch einmal und sieht mich an. » Was machst denn du hier?«
» I bin mit Freunden aus«, sage ich, und finde, dass sich das total gut anfühlt. Mit Freunden aus. In dieser Riesenstadt Berlin.
» Ja, ich auch. Aber was machst du in Berlin?«
» I …«, will ich automatisch auf Bayerisch weiterreden, aber dann fällt mir ein, dass der Tino bei uns steht, und vor dem hab ich bis jetzt immer so hochdeutsch geredet, wie es nur irgendwie ging. Ich meine, jeder weiß, dass ein arger Dialekt total unerotisch ist, da werd ich einen Teufel tun und irgendetwas riskieren.
Ich werfe meinem Schwarm einen Blick zu und stelle fest, dass der eine ganz schöne Lätschen zieht. Aber vermutlich nicht wegen meines Dialekts, sondern wegen der Unterbrechung.
» Ach, übrigens. Max, des is der Tino. Tino, das ist der Max, ein alter Freund von mir aus Mingharting.«
» Habe die Ehre«, sagt der Max und reicht dem Tino seine Hand, und der nimmt sie.
» Freut mich«, antwortet er.
Komisch. Eben war er so aufgeschlossen und freundlich, aber jetzt, vor einem Fremden, wirkt er abwesend, irgendwie in sich gekehrt. Entweder, er ist eingeschüchtert – immerhin ist der Max einen guten Kopf größer als der Tino und außerdem von einer Statur, der man ansieht, dass er körperlich gearbeitet hat in seinem Leben. Oder er ist eifersüchtig. Aber das hoffe ich nicht.
Na ja. Groß Zeit, mir Gedanken über Tinos Seelenheil zu machen, habe ich jetzt sowieso nicht.
» Jetz erzähl schon«, sagt der Max.
Ich erzähle ihm die ganze Geschichte, von Quirin Eichelmann, von Schorschis Küchenpraktikum in Mingharting, vom Erfolg von Papas Hausgebranntem und den importierten Würsteln von der Omi. Der Tino hat zwischendrin irgendwas gebrummt und ist woandershin gegangen, offensichtlich nicht besonders erfreut über das bayerische Intermezzo. Das ist einerseits natürlich gut verständlich, aber andererseits macht es mich ein bisschen nervös, dass er einfach so verschwindet. Ich kann den Max ja jetzt nicht einfach wegschicken, oder? Also.
Der Max staunt nicht schlecht, als ich fertig bin.
» Du machst Sachen«, sagt er, halb bewundernd, halb verwundert.
» Dass du des überhaupts ned mitgekriegt hast«, sage ich erstaunt. » Wir waren echt in allen Stadtmagazinen! Wir waren sogar im RBB !«
» Hättst halt was gesagt«, sagt der Max und wirkt, Tatsache, ein wenig beleidigt. » Konnt ich ja und wissen, dass du plötzlich da heroben bist.«
» Sorry«, sage ich. » Ich wollt die ganze Zeit mal anrufen, aber irgendwie hab ich’s einfach ned gschafft. Weißt, es passiert grad so viel und es ist alles so aufregend …«
» Ja«, sagt der Max und guckt komisch. » Am Anfang is es aufregend.«
Ich sehe ihn fragend an.
» Und später nimmer?«
Und dann erzählt mir der Max seine Geschichte. Ein paar Sachen hab ich natürlich noch mitgekriegt damals, zum Beispiel, dass er immer das Gefühl hatte, etwas aus sich machen zu müssen nach der Schreinerlehre, die er bei seinem Papa absolvierte. Und dass dann seine Mutter gestorben ist und er es nicht mehr ausgehalten hat in dem tristen Haus und dem engen Dorf, an der Seite eines Vaters, der sich nur noch hängenließ. Dass er dachte, raus in die Welt zu müssen, und sich also für ein Studium entschied, Architektur, und dann dachte: Wenn schon Großstadt, dann richtig, also auf nach Berlin. Aber was in den acht Jahren, die er weg war, passiert ist, wusste ich nicht, denn irgendwie haben wir den Kontakt verloren, als er fortgezogen ist, und sein maulfauler Vater hat auch nie was erzählt. Und wenn der Max dann mal daheim war, na ja, irgendwie haben wir dann auch nicht mehr richtig geredet. Aber jetzt, jetzt erzählt er. Wie es für ihn war, in eine Stadt zu kommen, in der niemand auf ihn gewartet hat, nichts und niemand. Wie lange es gedauert hat, bis er Freunde gefunden hatte, also richtige, welche, die auch da sind, wenn es einem mal nass reingeht. Und dann das Drama, einen Job zu finden in einer Stadt mit 13 Prozent Arbeitslosen und so hohen Schulden, dass es nicht einmal langt, die Gehwege zu reparieren. Jahrelang hat er als
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