Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
die es geschafft hat, eine Stelle als Redaktionsassistentin zu finden, bei dem offenbar total angesagten, mir aber natürlich vollkommen unbekannten Interview -Magazin.
Na ja, auf alle Fälle war Tino irre offen und aufmerksam, den ganzen Weg nach Neukölln hinüber. Als wir dann jedoch endlich in der Bar drin waren, hat ihn plötzlich die Dolores in Beschlag genommen, und Tino hat das einfach so geschehen lassen, was dann doch ein bisschen verletzend gewesen ist. Aber irgendwie scheint Dolores so ein bisschen die Anführerin in diesem Freundeskreis zu sein, zumindest hat sie etwas komisch Dominantes, so eine Art, dass man ihr ungern widerspricht. Ich glaube, ich muss nicht extra erwähnen, dass sie mir nicht besonders sympathisch ist. Außerdem, und das ist mir immer suspekt, ist sie auf ungesunde Weise dünn, eine echte Heugeign, wie wir in Bayern sagen. Aber inzwischen ratscht die Dolores mit dem Giovanni, und nun kommt der Tino auf mich zu. Geradewegs.
» Na?«, fragt er, als er da ist.
» Na?«, antworte ich. Ich freu mich, dass er wieder bei mir ist, hab aber zugleich ein bisschen Schiss.
Die Frida kichert und räumt das Feld. Der Tino betrachtet seine Schuhspitzen, was total niedlich aussieht.
» Sag mal …«, sagt er, und ich bin fast traurig, dass die Musik gerade nicht lauter ist, denn dann könnte ich vielleicht seinen Atem an meinem Ohrläppchen spüren.
» Ja?«
» Du, ich arbeite gerade an so einem Buch über Berlin. Mit Fotos.«
» Ach ja?«, sage ich, ganz unschuldig.
» Weißt du, ich … ich fotografiere«, sagt er, als wüsste er nicht, ob er darauf stolz sein soll oder sich lieber schämen.
» Wirklich?«, sage ich.
» Na ja. Sieht man mir ja auch nicht an. Hoffe ich zumindest.«
Er guckt mich wahnsinnig süß an, so von unten hervor, mit einem ganz leichten Grinsen. Dackelblick hoch zehn. Mein Herz fängt an zu hüpfen.
» Und ich fänd’s toll, wenn du auch dabei wärst«, sagt er und berührt mit dem Fuß ganz leicht meine Stiefelspitze.
» Bei was denn?«, frage ich, als wüsste ich von nichts.
» Ich fänd’s toll, wenn ich Fotos von dir machen dürfte.«
» Von mir?«, frage ich. » Warum denn?«
» Na ja, weil ich … ich eben Porträts sammle von Berlinern, die besonders sind.«
» Aber ich bin ja gar keine Berlinerin«, sage ich, und verkneife mir hinterherzuschieben: Und besonders bin ich ebenfalls nicht.
» Na ja«, sagt der Tino. » Wer ist schon Berliner, oder?«
Ich lächle. Da hat er recht. Ich hab zumindest noch keinen kennengelernt. Sogar der Quirin ist in Wahrheit eine Fischsemmel, geboren in Hamburg.
» Du bist in guter Gesellschaft«, sagt der Tino. » Ich hab echt schon ein paar tolle Leute gekriegt. Leute, die in einem Dachgarten in der Torstraße Karotten züchten. Einen Imker aus dem Wedding. Einen Gin-Destillateur. Und ein paar Musiker und Künstler!«
Es ist wirklich lieb, dass er sich so Mühe gibt, oder? Ich meine, eigentlich hasse ich es, fotografiert zu werden, aber andererseits hat es ja auch noch nie ein echter Fotograf probiert. Vielleicht macht es ja Spaß? Könnte doch sein, oder?
» Und? Machst du’s?«
Er wirft mir schon wieder einen Dackelblick zu, und was für einen. Ich verkneife mir ein Grinsen, allerdings wohl mit eher mäßigem Erfolg.
» Das ist ein seriöses Projekt!«, sagt er schnell. » Ich meine, ich hab noch keinen Verlag oder so, aber ich bin sicher, dass ich einen finde! Berlin ist zurzeit ein Riesenthema!«
Ich schau ihn an. Eigentlich würde mich schon interessieren, wer noch so drin ist in dem Büchlein, der Eisengel oder die Dolores etwa, aber ich kann meine Mundwinkel immer noch nicht dazu zwingen, in ihre normale Position zurückzufinden.
» Was?«, fragt er erschrocken.
» Nichts.« Ich schüttle den Kopf. » Klar mach ich’s.«
Er strahlt mich an wie ein Kind an Heiligabend.
» Wann? Morgen? Morgen soll das Wetter gut sein!«
» Okay«, lache ich. » Ich kann aber nur tagsüber.«
» Wann du willst!«
» Um zwölf?«
» Perfekt. Wo wohnst du? Ich hole dich ab!«
Er zieht ein kleines, schwarzes Notizbuch aus der Tasche und ich diktiere ihm meine Adresse. Er klappt das Buch zu und lächelt mich an.
» Abgemacht«, sagt er.
» Abgemacht«, sage ich.
Im selben Augenblick spüre ich eine andere Hand. Auf meiner Schulter. Anatomisch kann das nicht die von Tino sein. Und so überrascht, wie der mich plötzlich ansieht, ebenfalls nicht. Ich drehe mich also um, um zu sehen, wer ihr Besitzer ist.
Und dann
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