Die Breznkönigin: Roman (German Edition)
Tischen hängen. Tja, man weiß es halt nie.
» Der Chef fährt hier jeden Tag im dicken Benz vor. Total eklig.«
» Und der Laden daneben?«, frage ich und deute auf ein winziges Geschäft mit einem noch winzigeren Schaufenster, in dem nur ein kleiner Kasten liegt.
» Das? Die sind auch neu. Aber nett. Anna und Julie, zwei ganz, ganz liebe Goldschmiedinnen.«
Bei dem Wort sackt mir alles Blut in die Beine, und ich spüre, wie es in meiner Brust zu ziehen beginnt. Goldschmiedinnen – das Wort löst Wehmut in mir aus. Als Goldschmiedin zu arbeiten, das war immer mein Traum. Ein Traum, den ich aus den Augen verloren habe, weil die Realität immer so real war und nicht viel Platz ließ für Fantastereien.
Na ja. Vielleicht war ich auch einfach nur zu feige.
Ich nehme ein paar Schlucke von meinem Kaffee und schaue hinüber auf die andere Straßenseite. Der Laden sieht fast so aus, wie Bea und ich uns unseren immer vorgestellt hatten: ein kleines Geschäft in einer kleinen, nachbarschaftlichen Straße, in einem hübschen Altbau mit weiß gestrichenen Holzfenstern.
» Nett, sagst du, ja?«, frage ich, ohne den Blick von dem Laden zu lösen.
Der Sebi nickt. » Total nett.«
» Gut«, sage ich und zähle das Geld für meinen Kaffee ab. Dann stehe ich auf und lege die Münzen auf den Tresen.
» Oh, du hast ja gar nicht ausgetrunken. So in Eile?«, fragt der Sebi erstaunt.
Ich lächle ihn an.
» Bis bald«, sage ich statt einer Antwort.
Sekunden später verlasse ich das Café und marschiere quer über die Straße.
Ich hab da eine super Idee.
20
» Noch eine Minute dreißig«, flüstert mir die Frida ins Ohr.
» Noch eine Minute dreißig«, raune ich an Tino weiter.
Der lächelt und drückt meine Hand, und ich erwidere seine Geste. Alle Blicke sind jetzt auf meinen Freund gerichtet – oder auf die Displays diverser Handys. Wir befinden uns in der Bar 17, einem winzigkleinen, plüschigen Lokal in Neukölln, das ungefähr genauso neu wie das Buddha’s Belly ist und ebenfalls auf einen Schlag total hip wurde. Die Inhaber haben die Einrichtung der Nacktbar, die vorher drin war, einfach übernommen – inklusive Plüschsofas, voll verspiegelten Separees und Mini-Bühne mit Poledance-Stange. Dazu läuft Musik aus den Zwanzigerjahren und brasilianischer Bossanova, der Barkeeper hat eine Fliege um den Hals und ein Monokel im Gesicht und mixt Cocktails mit Schirmchen, was selbst in Bad Tölz seit zehn Jahren aus der Mode ist. Trotzdem sind Tino und die anderen hingerissen von dem Laden. Na ja, für diese Gelegenheit ist er zumindest genau richtig. Es ist Freitagabend, und gleich hat Tino Geburtstag.
» Aber bei mir sind noch zwei Minüten«, beschwert sich Philippe.
» Meine geht genau«, verbessert ihn Frida.
Noch eine Minute, dann wird Tino dreißig. Ich habe mir heute Abend freigenommen, versteht sich von selbst. Dafür muss ich dann morgen Abend arbeiten, obwohl da doch eigentlich erst Tinos Geburtstag ist und ich nur zu gern noch einmal mit ihm gefeiert hätte, ganz alleine mit ihm. Aber dummerweise hat morgen eine Geburtstagsgesellschaft für zwanzig Personen reserviert, mit Leberknödelsuppe, ganzem Spanferkel (dazu sag ich jetzt nichts) und Bayerisch Creme, deshalb wollte mir der Quirin auf Teufel komm raus nicht schon wieder Urlaub geben. Aber dann hat sich ergeben, dass der Tino morgen ohnehin einen Job hat, bei dem nicht ganz klar ist, wie lange er dauert. Er soll für das Niedersächsische Staatstheater Hannover die Ensemblemitglieder fotografieren. Und zuletzt: Der Tino feiert ohnehin viel lieber in seinen Geburtstag rein als raus. Das hat immer etwas von Silvester, findet er, und dass man ja auch nicht auf die Idee käme, das neue Jahr erst am Abend des 1. Januar zu begrüßen.
So kann man’s natürlich auch sehen.
Noch 45 Sekunden.
Und jetzt steigt die Aufregung langsam auch in mir. Wegen meines Geschenks für den Tino.
Mir ist es nämlich gelungen, Anna und Julie aus der kleinen Goldschmiede gegenüber des Café Colette dazu zu überreden, mich für ein paar Stunden in ihrer Werkstatt arbeiten zu lassen. Das war gar nicht so schwer, die beiden haben nämlich ebenfalls in Pforzheim ihre Ausbildung gemacht, und da kommt man dann doch quasi aus einer Familie. Sebi hat nicht gelogen, die beiden sind echt total herzig, und obendrein auch noch aufgedreht und hübsch. Außerdem haben sie mir mein ganzes Material zum Selbstkostenpreis überlassen, was sie überhaupt nicht hätten tun brauchen, am
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